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… Ja, dort konnte Paul sich Thekla denken, hier – nimmermehr! Sie mit ihrer Prachtliebe, ihrer Lebenslust, was soll sie in diesem altmodischen Wesen, in dieser Greisen-Atmosphäre? Ein unbesiegbares Mißbehagen wird sie ergreifen bei dem ersten Schritt über diese Schwelle, niemals wird sie sich hier heimisch fühlen … Paul möchte das kühle Mitleid nicht sehen, mit dem ihr Blick über die Häupter seiner Eltern hingleiten würde. Die bloße Vorstellung davon … Das Blut schoß ihm heiß in die Stirn, und er biß die Zähne zusammen.

Sein Vater und seine Mutter tauschten leise einige gleichgültige Worte, sahen dabei ängstlich in sein verfinstertes Angesicht und sagten zu sich selber: „Es wird ihm nicht wohl bei uns, es kann ihm bei uns nicht wohl werden!“

Die Thurmuhr schlug zehn. Immer lauter wurde am Credenztische das Aufziehen und Zuklappen der Laden und Thüren, ein unmotivirtes Hin- und Hergehen, immer verständlicher die Mahnung der Dienerschaft: Was zögert ihr so lange? geht schlafen, es ist Zeit!

– Geht schlafen! … Diese Mahnung mag wohl oft wortlos zu den Alten dringen. Niemand verhindert es, Niemand steht neben ihnen, der ein Recht hätte zu befehlen: Achtung vor denen, die mir heilig sind!

Die Eine, die es gethan, ist dahin; die Eine, die sie nicht verschmerzen können, die ihre Stütze und ihre Freude war.

Paul erhob den Blick zu dem leeren Platz ihm gegenüber.

Empfohlene Zitierweise:
Marie von Ebner-Eschenbach: Nach dem Tode. In: Erzählungen. Berlin: Gebrüder Paetel, 1893, Seite 375. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Erz%C3%A4hlungen_von_Marie_von_Ebner-Eschenbach.djvu/381&oldid=- (Version vom 31.7.2018)