durch die geöffneten Fenster über die reich gefüllten Blumenkörbe, durchwürzte die Luft mit zarten Düften, bewegte die weißen Vorhänge. Spiegelblank glänzten die Dielen, Teppiche waren allenthalben ausgebreitet, jede Kleinigkeit befand sich an ihrem gewohnten Platze; Alles war so sorgsam geordnet, so liebevoll gepflegt, als wenn auch hier täglich, stündlich eine Wiederkehr erwartet würde.
Langsamen und leisen Schrittes ging Paul durch das Vorzimmer, den Salon und betrat das Schlafgemach.
Bei seinem Erscheinen erhoben zwei Personen sich rasch von dem Kanapee in der Tiefe des Zimmers, und Entschuldigungen flüsternd glitten sie hinaus wie Schatten.
Seine Eltern! …
Sie feiern hier ihre Feste der Erinnerung, finden einen Widerschein entschwundenen Glückes in der Betrachtung von Gegenständen, die der Verstorbenen gedient, ihren theuersten Besitz ausgemacht haben. Sie lebt ihnen in dieser Umgebung, lebt in ihrem liebsten Gedanken, in dem Gedanken an ihn, von dem hier Alles Zeugniß giebt. Er war der Gott dieses stillen Heiligthums, aus dem die Priesterin geschieden ist. Wohin er blickt, tritt ihm sein Bild entgegen – als rosiges Kind, als Knabe mit Peitsche und Ball, als Jüngling im Studentenrocke, mit leuchtenden Augen und kühn zurückgeworfenem Haar, als Mann in der Ruhe der Kraft, im Vollbewußtsein ungemessenen
Marie von Ebner-Eschenbach: Nach dem Tode. In: Erzählungen. Berlin: Gebrüder Paetel, 1893, Seite 401. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Erz%C3%A4hlungen_von_Marie_von_Ebner-Eschenbach.djvu/407&oldid=- (Version vom 31.7.2018)