„Na,“ sprach er nach einer Weile, „nichts für ungut.“ Er wurde plötzlich sehr roth und sehr gerührt, reichte Paul die Hand und betheuerte, daß sie „deswegen doch“ die Alten bleiben würden. Bald darauf nahm er Abschied, und Paul mußte ihn ein Stück Weges in seinem Wagen begleiten. Hier fühlte der Freiherr sich als Wirth und entfaltete eine hinreißende Liebenswürdigkeit. Nachdem sie sich getrennt hatten, erhob sich Kamnitzky in seiner historischen Kalesche und winkte seinem Freunde, so lange er ihn noch sehen konnte, mit seinem bunten großen Taschentuche die freundlichsten Grüße zu.
Zurückkehrend durch die hallenden Gänge kam Paul an den Gemächern vorüber, die seine Frau bewohnt hatte. Er blieb stehen, legte die Hand auf die Thürklinke, sie gab seinem Drucke nach, – ein kurzes Zögern, ein kurzer Kampf mit sich selbst, und er setzte seinen Fuß auf die Schwelle, die er nicht mehr betreten hatte, seitdem der Tod sie überschritten. – So vergessen sind diese Räume, daß man nicht einmal daran denkt, sie abzuschließen; der Zerstörung anheimgefallen, dem unablässigen ruhelosen Kampf der Natur gegen jedes Werk der Menschenhand. Paul war auf einen traurigen Anblick gefaßt, aber er hatte geirrt. In den stillen Gemächern zeigte sich nicht eine Spur des Unbewohntseins. Sie lagen freundlich da, von den Strahlen der untergehenden Sonne erleuchtet. Der Abendhauch schwebte
Marie von Ebner-Eschenbach: Nach dem Tode. In: Erzählungen. Berlin: Gebrüder Paetel, 1893, Seite 400. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Erz%C3%A4hlungen_von_Marie_von_Ebner-Eschenbach.djvu/406&oldid=- (Version vom 31.7.2018)