Theil wörtlich benutzt, zum Theil excerpirt wurden, heute vermag der Professor mehr individuelle Ansichten und Forschungen vorzutragen, ja, in manchen Fächern ist er sogar dazu gezwungen. Es fragt sich, ob es berechtigter ist, ein Compendium zu dictiren oder den Studenten durch Einführung in die eigene Ansicht anzuregen und zu fördern. Nur der banausische Standpunkt wird die Frage in dem ersten Sinn bejahen, wenn auch zugegeben werden darf, dass z. B. für Gymnasiallehrer ein gutes, compendienartiges Heft später sehr brauchbar ist. Indessen wird man gleich hinzufügen dürfen, dass ein Collegienheft unter Umständen schon einen etwas veralteten Zustand der Wissenschaft wiedergeben, in jedem Fall schon nach wenigen Jahren in manchen Punkten überholt sein kann. Aus diesem Grund ist der Besitz eines compendienartigen Collegienheftes kein unbestrittenes Gut. Unter allen Umständen aber macht ein compendienartiges Heft den Vortrag trocken und langweilig. Und da das Ablesen eines Heftes von jedem, bis zum Pedell herab, besorgt werden kann, so scheint für derartige Dictatstellungen eine Professur gar nicht nothwendig zu sein, so wenig auch einer Student sein muss, um Dictate niederzuschreiben.
Besser ist es demnach, den Vortrag so einzurichten, dass er hauptsächlich anregend wirkt. Der Student wird auf diese Weise ganz anders in die Wissenschaft eingeführt, bekommt den Impuls zum
Hans Flach: Der deutsche Professor der Gegenwart. Leipzig 1886, Seite 5. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Flach_Der_deutsche_Professor.djvu/013&oldid=- (Version vom 17.8.2016)