jene kleinere Vorlesung annimmt, als das billigste Semesterhonorar 80–100 Mark herausstellt. Doch pflegen die wenigsten Studenten so viel Vorlesungen gleichzeitig zu hören. Das Honorar steigt noch weiter mit der wöchentlichen Stundenzahl, die beinahe unbegrenzt ist, da Juristen eine einzige Vorlesung bereits in 15 Stunden pro Woche gelesen haben. Mit einem sehr geringen Abzug an Gebühren für den, welcher das Einziehen der Gelder besorgt, erhält der Professor seine gesammten Vorlesungsgelder, die an grossen Universitäten mehrere tausend Mark das Jahr zu betragen pflegen, für einzelne Fächer noch weit mehr, so dass auch Vorlesungsgelder 10–12000 Mark und darüber selbst an mittleren Universitäten nicht ungewöhnlich sind. Durch diese Einnahme von Stundengeldern unterscheidet sich der Universitätsprofessor von allen andern Lehrern, sogar von den Lehrern der meisten technischen Hochschulen.
Nun würde man gegen die Einrichtung der Vorlesungshonorare nichts einzuwenden haben, wenn nicht die praktische Handhabung derselben eine grosse Einseitigkeit und Ungerechtigkeit im Gefolge hätte. Denn gerade dann, wann der Professor am besten situirt ist, pflegt er gemäss den akademischen Einrichtungen die meisten Honorare einzunehmen, während sie dann, wann er sie am meisten gebrauchen kann, und sie der pekuniär sehr ungünstigen Situation als Docent zu Gute kommen könnten, am
Hans Flach: Der deutsche Professor der Gegenwart. Leipzig 1886, Seite 14. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Flach_Der_deutsche_Professor.djvu/022&oldid=- (Version vom 18.8.2016)