Gewissenhaftigkeit alles Material benutzen will (und in manchen Fächern wird bekanntlich auf die Benutzung des gesammten Materials das grösste Gewicht gelegt), gar nicht mehr durchkommen kann, wenn er alle Doctordissertationen zu Rathe ziehen muss. Ausserdem aber behauptet man, dass der grösste Theil aller Dissertationen wissenschaftlich so wenig förderndes oder neues enthalte, dass diese besser nicht gedruckt würden, sondern der Vergessenheit anheimfielen.
Wenn diese Argumente richtig sind, woran wir nicht zweifeln wollen, so beweisen sie nur das eine, dass in vielen Fällen heute doctorirt wird, und dass es von allgemeinem Nutzen wäre, wenn die Anzahl der Doctorirenden erheblich eingeschränkt und niemand zugelassen würde, der nicht wirklich wissenschaftlich etwas geleistet hat. Aber indem man zu einem Mittel greift, welches allerdings die litterarische Maculatur verringert, aber die Zahl der Doctorirenden erheblich vermehrt, schraubt man den Doctorgrad auf ein viel tieferes Niveau herab, als es im andern Fall möglich ist. Zunächst wird nämlich die Erwerbung des Doctorgrades dadurch weniger kostspielig, und einer grösseren Anzahl zugänglich. Dann ist es aber zweifellos, dass eine Arbeit, die zum Druck gelangt, unter allen Umständen anders angefertigt werden muss, als eine, die, nachdem sie vom Ordinarius begutachtet ist, vielleicht in den Papierkorb oder in einen Actenständer wandert, selbst wenn die
Hans Flach: Der deutsche Professor der Gegenwart. Leipzig 1886, Seite 34. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Flach_Der_deutsche_Professor.djvu/042&oldid=- (Version vom 17.8.2016)