den ‚erweiterten Brodneid‘ nennen. Da wirklich grosse Männer seltener in diesen Fehler verfallen werden, so scheint daraus hervorzugehen, dass die heutigen Gelehrten nicht immer grosse Männer sind.
Weit einflussreicher aber auf die Art der Behandlung ist der Einfluss des Coterienwesens oder der litterarischen Cliquen, der sich heute in der Gelehrten- und schöngeistigen Welt geltend macht. Je grösser die Macht dieser Cliquen ist, die gewöhnlich nur durch persönliche Freundschaft und conventionelle Unwahrheit zusammengehalten wird, um so verächtlicher ist ihr Treiben, und um so mehr sollten sich alle anständigen Männer vereinigen, um dieses Cliquenwesen zu bekämpfen und zu vernichten. Es ist eine der traurigsten Erscheinungen moderner Cultur, dass solche Coterien es vermocht haben, ganz unbedeutende Männer in die Höhe zu bringen, und sehr bedeutende zu unterdrücken, und dass die grosse Welt in vielen Fällen getäuscht worden ist. Gewöhnlich sind es sociale Elemente, welche zur Entstehung und Verbrüderung einer Clique beitragen, nicht selten – das Geld, das sich heute auch die Wissenschaft unterthan gemacht hat.
Eine ganz eigenthümliche Kritik pflegt von den Ordinarien über die Arbeiten der Docenten und Extraordinarien ausgeübt zu werden. Dieselben sind in ihren Augen gewöhnlich nicht durchgearbeitet genug oder flüchtig. Dies mag ja in vielen Fällen richtig sein, aber die Ordinarien pflegen dabei das
Hans Flach: Der deutsche Professor der Gegenwart. Leipzig 1886, Seite 72. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Flach_Der_deutsche_Professor.djvu/080&oldid=- (Version vom 18.8.2016)