Jugend Deutschlands, die culturellen Mittelpunkte des deutschen Vaterlands, die Anhäufung von Intelligenz und Bildung, von den grossen Tugenden des deutschen Gelehrten, von Zuvorkommenheit, Nächstenliebe, Freundlichkeit, Milde, Sanftmuth, Demuth! Ja, ja, wenn man in diese Mysterien hineinzublicken Gelegenheit gehabt hat, sieht man etwas ganz anderes: Hohlheit und Thorheiten der Professoren, Verseuchung der Studenten, Streberthum auf allen Seiten, viel Geld und viel Habgier, Schmeichelei gegen den Nabob, Neid gegen jeden besser gestellten Collegen, Geiz gegen die jüngeren Lehrer, Hochmuth und Angeschwollenheit, und zwar am stärksten bei den Dümmsten, Hass gegen Collegen, welche die Wahrheit sagen und das Cliquenwesen angreifen, Rachsucht, Bosheit, Gemeinheit, Verleumdung! Das ist die heutige akademische Welt, die ihr Leben und Trachten mit solchem Nimbus zu umgeben versteht, dass sie bei der unverständigen Menge nur in der Beleuchtung eines zauberhaften Morgenroths, der irdischen Unvollkommenheit entzogen und dem Himmel nahegerückt zu erscheinen pflegt!
Wahrlich, es ist hohe Zeit, dass die deutschen Regierungen einschreiten, um dieser akademischen Blüthe ein Ziel zu setzen. Und da wir keineswegs Pessimisten sind, so hoffen wir einerseits von der Erweiterung des Princips der Docentenstipendien, andererseits von der allmählichen inneren Erstarkung
Hans Flach: Der deutsche Professor der Gegenwart. Leipzig 1886, Seite 213. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Flach_Der_deutsche_Professor.djvu/221&oldid=- (Version vom 17.8.2016)