dadurch zu einer ausserordentlichen Blüthe gelangt seien. Dennoch wird man sich der Annahme nicht verschliessen können, dass dieser Modus, so vortrefflich er auch noch vor 30 Jahren gewesen ist, heute als überlebt angesehen werden darf, da alle socialen Bedingungen und alle Communicationsmittel ganz andere geworden sind. Damals war ein Professor nur nach seinen Werken und seiner Lehrthätigkeit bekannt, und diese Factoren entschieden für die Berufung. Gewiss giebt es heute noch Hochschulen und Fakultäten und zweifellos zahlreiche Professoren, welche genau nach jenen früheren Principien verfahren, und es hiesse der deutschen Gelehrtenwelt den Todesstoss versetzen, wenn man an dieser Thatsache zweifeln wollte. Aber im allgemeinen sind die Berufungsverhältnisse wesentlich andere geworden. Besonders haben angefangen, Fragen hervorgehoben zu werden, die bei der früheren Abgeschlossenheit der Gelehrtenwelt gar nicht in Betracht gezogen sind und kaum erörtert werden konnten. Wir haben jedoch zwei Arten von Berufungen genau zu unterscheiden, die wirkliche Berufung und die Scheinberufung, welche nur die Stelle einer liebenswürdigen Visitenkarte bei dem Berufenen vertritt, deren er zu geeigneter Zeit eingedenk sein soll.
Bei den wirklichen Berufungen ist in den letzten Jahren bei der Prüfung der Qualitäten eine neue Frage hinzugekommen, indem untersucht
Hans Flach: Der deutsche Professor der Gegenwart. Leipzig 1886, Seite 242. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Flach_Der_deutsche_Professor.djvu/250&oldid=- (Version vom 18.8.2016)