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Brudermord begingen. 26 Überdem fügte er noch hinzu, wie unrecht es sei, selbst einen nichtswürdigen Bruder zu töten, und dass man auch an Freunden sich nicht räche, wenn man sich von ihnen beleidigt glaube. Sie aber wollten den Joseph umbringen, obgleich er ihnen nicht das geringste Böse zugefügt habe und sein zartes Alter vielmehr ihr Mitleid, ihre Fürsorge und ihren Schutz verlange. 27 Vermehrt werde übrigens die Schlechtigkeit der That noch durch den Beweggrund, der sie dazu treibe, und das sei nur der Neid über das zukünftige Glück Josephs, das sie doch mitgeniessen würden, da sie in engster Gemeinschaft mit ihm lebten. 28 Denn sie müssten bedenken, dass das, was Gott dem Joseph beschere, auch ihnen zu gute kommen werde. Der Zorn des Himmels werde also schwer auf ihnen lasten, wenn sie den töteten, den Gott eines solchen Glückes gewürdigt habe. Auch beraubten sie Gott selbst dessen, den er mit Glücksgütern überhäufen wolle.

(2.) 29 Durch diese und andere Vorhaltungen und Bitten versuchte Rubel sie vom Brudermorde abzuschrecken. Da er aber sah, dass sie um nichts versöhnlicher geworden waren, vielmehr es mit dem Morde eilig zu haben schienen, suchte er sie wenigstens zu einer milderen Todesart zu bestimmen. 30 Denn da sie seiner flehentlichen Bitte, die Tötung zu unterlassen, nicht nachkämen, vielmehr darauf beständen, ihn aus dem Wege zu räumen, so würden sie wenigstens eine leichtere Sünde begehen, wenn sie seinem Rate folgten. Ihren Zweck würden sie ja so auch erreichen, aber auf eine andere, weniger gehässige Weise. 31 Er beschwor sie nämlich, nicht selbst Hand an ihren Bruder zu legen, sondern ihn in die nächste Cisterne zu werfen und dort sterben zu lassen; so würden sie den Vorteil haben, ihre Hände nicht zu beflecken. Als sie hierzu ihre Zustimmung gaben, führte Rubel den Knaben weg, band ihn an ein Seil und liess ihn langsam in eine Cisterne hinab, die hinreichend trocken war. Dann entfernte er sich und suchte sich einen passenden Weideplatz.

Empfohlene Zitierweise:
Flavius Josephus: Jüdische Altertümer. Otto Hendel, Halle a.d.S. 1899, Seite 77. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:FlavJosAnt1GermanClementz.pdf/76&oldid=- (Version vom 4.8.2020)