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nur an seinen gegenwärtigen Stand eines Knechtes, nicht aber an seine guten Sitten, die trotz des veränderten Standes dieselben geblieben waren. Als sie aber ihr heftiges Verlangen ihm verriet und ihm den Beischlaf antrug, wies er ihr Begehren zurück und hielt es für unrecht, dass sie ihm eine Gunst gewähren wolle, welche über den, der ihn gekauft hatte und ihn in so hohen Ehren hielt, nur Schmach und Schande bringen würde. 43 Dann ermahnte er sie, ihre Begierde zu zügeln, und nahm ihr die Hoffnung, als ob er je ihr willfahren würde; denn so, meinte er, werde sie eher von ihrem ungestümen Verlangen abstehen. Auch habe er sich fest vorgenommen, eher das Äusserste zu erdulden, als ihr zu Willen zu sein. Denn wenn es sich auch für den Knecht nicht zieme, der Herrin sich zu widersetzen, so glaube er doch für seinen Ungehorsam gegen ihren Befehl hinreichende Entschuldigung zu haben. 44 Da sie aber solchen Widerstand nicht erwartet hatte, wurde ihre Liebe nur noch heftiger, und weil ihre schlechte Begierde sie dazu trieb, beschloss sie, ihn ein zweites Mal zu bestürmen.

(3.) 45 Als nämlich ein öffentliches Fest bevorstand, dessen Besuch auch für die Frauen Sitte war, schützte sie bei ihrem Gatten Krankheit vor, um ihr Verlangen an Joseph wieder stellen zu können, wenn Ruhe und Stille im Hause herrsche. Als sie das erreicht hatte, bestürmte sie ihn mit noch einschmeichelnderen Worten als früher: 46 Es sei besser gewesen, wenn er früher ihrem Verlangen willfahrt und keinen Widerstand geleistet hätte, teils aus Ehrfurcht vor ihr, teils wegen der Heftigkeit ihrer Liebe, die sie, die Herrin, veranlasst habe, sich unter ihre Würde zu erniedrigen. Doch könne er durch kluges, entgegenkommendes Benehmen seine Unterlassung wieder gut machen. 47 Wenn er eine zweite Bitte ihrerseits erwartet habe, so thue sie das jetzt, und zwar inständiger als zuvor. Sie habe Krankheit vorgeschützt und seine Gesellschaft dem rauschenden Feste vorgezogen. Habe er aber ihren früheren Worten misstraut und ihnen deshalb nicht nachgegeben, so könne er jetzt daraus, dass sie auf ihrem

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Flavius Josephus: Jüdische Altertümer. Otto Hendel, Halle a.d.S. 1899, Seite 80. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:FlavJosAnt1GermanClementz.pdf/79&oldid=- (Version vom 4.8.2020)