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früheren Verlangen bestehe, leicht entnehmen, dass sie keine böse Absicht habe. 48 Deshalb könne er sowohl das gegenwärtige Glück, das ihm schon winke, geniessen, wenn er ihr Verlangen erfülle, als auch auf noch grösseres hoffen. Dagegen aber könne er sich auf ihren Hass und ihre Rache gefasst machen, wenn er ihre Bitte zurückweise und lieber seine Keuschheit bewahren, als seiner Herrin zu Willen sein wolle. 49 Die Keuschheit werde ihm übrigens wenig nützen, denn sie brauche nur die Anklage gegen ihn vorzubringen und ihrem Manne vorzulügen, sie sei von ihm angegriffen worden, und Petephres werde doch ihren Worten mehr Glauben schenken als den seinigen, und wenn sie noch so sehr den Schein der Wahrheit an sich trügen.

(4.) 50 So beschwor ihn das Weib unter Thränen; doch liess er sich weder aus Mitgefühl noch aus Furcht von seiner Keuschheit abbringen, sondern er widerstand ihren Bitten wie ihren Drohungen und verabscheute das Böse. Denn lieber wollte er bitteres Leid ertragen, als augenblickliches Wohlbehagen geniessen und dem Weibe zuliebe etwas begehen, das ihm, dessen war er sich bewusst, von Rechts wegen den Tod zuziehen musste. 51 Auch ermahnte er sie, ihrer ehelichen Verbindung und Pflichten zu gedenken und beschwor sie, darauf mehr Rücksicht zu nehmen als auf die Befriedigung einer augenblicklichen Lust. Denn dieser würden Reue und Schmerz folgen, die die Sünde nicht ungeschehen machen könnten; zudem werde sie in beständiger Furcht vor Ertappung schweben und es als einzige Wohlthat betrachten, wenn der Frevel geheim bliebe. 52 Mit ihrem Gatten dagegen könne sie ohne Gefahr verkehren und habe dann auch noch die Zuversicht eines guten Gewissens vor Gott und den Menschen. Auch werde sie, wenn sie ihre Reinheit bewahre, eher das Recht der Herrin ihm gegenüber vertreten können, als wenn die Scham über sein Mitwissen um ihre Sünde sie darin beschränke. Denn es sei besser, den rechten Weg offen zu wandeln, als im geheimen zu sündigen.

Empfohlene Zitierweise:
Flavius Josephus: Jüdische Altertümer. Otto Hendel, Halle a.d.S. 1899, Seite 81. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:FlavJosAnt1GermanClementz.pdf/80&oldid=- (Version vom 4.8.2020)