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sie ihm diese Frage bejahten, sprach er: Gott lenkt alles, 123 und er fing vor Bewegung an zu weinen und entfernte sich, damit seine Brüder dies nicht merkten. Alsdann lud er sie zu Tische, und sie setzten sich in derselben Reihenfolge wie zu Hause. Joseph behandelte sie alle freundlich, den Benjamin aber ehrte er mehr als die anderen Tischgenossen und liess ihm von den Speisen doppelt so viel geben als den Brüdern.

(7.) 124 Als sie sich nun nach der Mahlzeit zum Schlafe niederlegten, befahl er dem Verwalter, er solle ihnen das Getreide zumessen und den Preis dafür wieder heimlich in die Säcke legen, in Benjamins Gepäck aber solle er seinen silbernen Becher verstecken, aus dem er zu trinken pflegte. 125 Auf diese Weise wollte er seine Brüder erproben, ob sie ihrem Bruder beistehen würden, wenn er, wegen Diebstahls angehalten, in Gefahr schwebe, oder ob sie ihn im Stiche lassen und, als wenn die Übelthat sie selbst nichts anginge, zu ihrem Vater zurückkehren würden. 126 Der Verwalter vollzog den Befehl, und ohne Ahnung von alledem zogen die Söhne Jakobs bei Tagesanbruch mit Simeon ab, doppelt erfreut, einmal, weil sie den Simeon wieder bei sich hatten, dann aber auch, weil sie den Benjamin wieder mit nach Hause brachten, getreu dem ihrem Vater gegebenen Versprechen. Da umringten sie auf einmal Reiter, die den Diener bei sich führten, welcher den Becher in Benjamins Gepäck gethan hatte. 127 Erschreckt ob des plötzlichen Angriffes, fragten sie nach der Ursache, warum sie so überfallen würden, da sie noch kurz zuvor von Joseph ehrenvoll seien bewirtet worden. 128 Jene entgegneten, sie seien nichtswürdige Menschen, da sie ohne Erkenntlichkeit für die gastliche‚ freigebige und freundliche Aufnahme, die Joseph ihnen habe angedeihen lassen, sich nicht gescheut hätten, Unrecht zu begeben und den Becher mitzunehmen, aus dem er ihnen wohlwollend zugetrunken. Für unrechtmässigen Gewinn hätten sie Josephs Freundschaft verscherzt und sich selbst in die Gefahr begeben, ertappt zu werden. 129 Doch würden sie dafür büssen

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Flavius Josephus: Jüdische Altertümer. Otto Hendel, Halle a.d.S. 1899, Seite 94. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:FlavJosAnt1GermanClementz.pdf/93&oldid=- (Version vom 4.8.2020)