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und bereits zahlreiche Anhänger um sich versammelt hatten, brachten nicht nur augenblicklich den Staat in grenzenlose Verwirrung, sondern säten auch für die Zukunft durch Lehren, die bis dahin kein Mensch je gehört hatte, all das Unheil, das gar bald anfing Wurzel zu treiben. 10 Ich will darüber mit einigen Worten mich verbreiten, besonders da die Jugend es war, die, durch jene Lehren fanatisiert, unserem Staate den Untergang bereitete.

(2.) 11 Bei den Juden gab es schon seit langer Zeit drei philosophische Sekten, nämlich die der Essener, Sadducäer und Pharisäer, und wiewohl ich bereits im zweiten Buche des Jüdischen Krieges mich darüber ausgesprochen habe, will ich doch die Mühe nicht scheuen, auf dieselben hier nochmals einzugehen.

(3.) 12 Die Pharisäer leben enthaltsam und kennen keine Annehmlichkeiten. Was vernünftige Überlegung als gut erscheinen lässt, dem folgen sie und halten es überhaupt für ihre Pflicht, den Vorschriften der Vernunft nachzukommen. Die Alten ehren sie und massen sich nicht an, den Anordnungen derselben zu widersprechen. 13 Wenn sie behaupten, alles geschehe nach einem bestimmten Schicksal, so wollen sie damit dem menschlichen Willen nicht das Vermögen absprechen, sich selbst zu bestimmen, sondern lehren, es habe Gott gefallen, die Macht des Schicksals und die menschliche Vernunft zusammenwirken zu lassen, sodass jeder es nach seinem Belieben mit dem Laster oder der Tugend halten könne. 14 Sie glauben auch, dass die Seelen unsterblich sind und dass dieselben, je nachdem der Mensch tugendhaft oder lasterhaft gewesen, unter der Erde Lohn oder Strafe erhalten, sodass die Lasterhaften in ewiger Kerkerhaft schmachten müssen, während die Tugendhaften die Macht erhalten, ins Leben zurückzukehren. 15 Infolge dieser Lehren besitzen sie beim Volke einen solchen Einfluss, dass sämtliche gottesdienstliche Verrichtungen, Gebete wie Opfer, nur nach ihrer Anleitung dargebracht werden. Ein so herrliches Zeugnis der Vollkommenheit gaben ihnen die Gemeinden, weil

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Flavius Josephus: Jüdische Altertümer. Otto Hendel, Halle a.d.S. 1899, Seite 506. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:FlavJosAnt2GermanClementz.pdf/506&oldid=- (Version vom 13.12.2020)