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die Geschichte kein ähnliches kennt. Um diese Begebenheit hinreichend genau darstellen zu können, muss ich auf ihre Ursachen zurückgreifen. 311 In Babylonien liegt eine Stadt Naarda, die sehr bevölkert ist und ausser anderen Vorzügen auch ein fruchtbares, ausgedehntes Gebiet besitzt. Dazu kommt, dass sie nicht eingenommen werden kann, weil sie rings vom Euphrat umflossen und stark befestigt ist. 312 Gleichfalls von diesem Flusse umströmt ist auch die Stadt Nisibis, welche in jener Gegend liegt. Die Juden, die sich auf die natürliche Festigkeit dieser Orte verliessen, verwahrten hier die Doppeldrachme,[1] welche jeder Jude Gott nach dem Gesetze opfern musste, sowie alle übrigen Opfergelder und betrachteten diese Städte gleichsam als ihre Schatzkammern. 313 Von hier aus wurde das Geld dann zu bestimmten Zeiten nach Jerusalem geschafft, und zwar aus Furcht vor den Räubereien der Parther, denen Babylonien zinspflichtig war, unter Bedeckung von mehreren tausend Mann. 314 Aus Naarda stammten zwei rechte Brüder, Asinaeus und Anilaeus, die nach dem Tode ihres Vaters von ihrer Mutter angehalten worden waren, die Webekunst zu erlernen, weil das bei den Einwohnern jenes Landes nicht für unpassend gilt und sogar Männer dort Wolle spinnen. Nun machte ihnen eines Tages der Meister, bei dem sie die Kunst lernten, Vorwürfe, weil sie zu spät zur Arbeit gekommen waren, und züchtigte sie dafür mit Schlägen. 315 Diese Strafe erschien ihnen schmachvoll, weshalb sie alles, was sich im Hause an Waffen vorfand, zusammenrafften und damit an einen Ort zogen, wo der Fluss sich teilt und wo üppige Weideplätze sowie Früchte, die für den Winter aufgespeichert werden können, in Menge vorhanden waren. Hier strömten ihnen bald alle jungen Leute zu, die nichts ihr eigen nannten. Diese versahen sie mit Waffen, spielten sich als deren Anführer auf und unterwiesen sie in allen möglichen Übelthaten.

Empfohlene Zitierweise:
Flavius Josephus: Jüdische Altertümer. Otto Hendel, Halle a.d.S. 1899, Seite 560. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:FlavJosAnt2GermanClementz.pdf/560&oldid=- (Version vom 13.12.2020)
  1. Vergl. Matthaeus 17, 23.