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ertragen habe. 319 Auf die Dauer kam dieses Benehmen Agrippa fast wie Hohn vor, und die rücksichtslose Freiheit des Mannes wurde ihm immer unerträglicher. Es ist eben keine angenehme Sache, sich an unrühmliche Zeiten erinnern zu lassen, und nur ein Thor glaubt seine Verdienste immer und immer wieder hervorheben zu müssen. 320 Silas zog sich deswegen endlich den höchsten Unwillen des Königs zu, sodass dieser seine bessere Einsicht dem Zorn opferte und den Silas nicht nur seines Befehlshaberpostens entsetzte, sondern ihn auch in Ketten nach seiner Heimat bringen liess. 321 Mit der Zeit indes legte sich sein Groll wieder, und wenn er vorurteilsfrei über Silas dachte, musste er anerkennen, dass derselbe ihm in der That grosse Dienste geleistet habe. Als er daher seinen Geburtstag feierte, den alle seine Unterthanen mit fröhlichen Gelagen begingen, liess er auch den Silas unverzüglich rufen, damit er an seiner Tafel speise. 322 Dieser aber glaubte gerechte Ursache zum Groll zu haben und machte daraus in seinem Freimut auch vor den Abgesandten des Königs kein Hehl, sondern sprach zu ihnen: 323 „Was ist das für eine Ehre, zu welcher der König mich jetzt beruft, um sie mir im nächsten Augenblick wieder abzunehmen? Denn auch die früheren Beweise seines Wohlwollens sind nicht von Dauer gewesen, sondern mir in schmachvoller Weise wieder entzogen worden. 324 Glaubt Agrippa denn, ich habe meine freie Art, zu reden, dran gegeben? Nein, ich will vielmehr, da ich mir keiner Schuld bewusst bin, nur um so lauter kundthun, aus wie vielen Übeln ich ihn befreit und welche Mühen ich für sein Wohlergehen und seine Ehre auf mich genommen habe. Und doch hat er mir dafür keinen anderen Dank gewusst als Ketten und Kerker. 325 Das werde ich nie vergessen, und selbst in meiner Todesstunde wird das Bewusstsein, recht gehandelt zu haben, mir noch ein süsser Trost sein.“ Diesen Bescheid hiess er dem Könige überbringen. Agrippa aber erkannte daran, dass er unversöhnlichen Gemütes sei, und liess ihn in Gewahrsam.

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Flavius Josephus: Jüdische Altertümer. Otto Hendel, Halle a.d.S. 1899, Seite 625. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:FlavJosAnt2GermanClementz.pdf/625&oldid=- (Version vom 13.12.2020)