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Mit jedem Schlage wuchs das Erstaunen des dahinter stehenden Geschöpfes, und aus seinem Blick sprach die dringenste Neubegier.

„Zwölf Uhr erst? murmelte der Deutsche; das ist so spät eben nicht in einem Lande, wo man nur allzugern die Nacht zum Tage macht. – Vielleicht erwecke ich noch irgendwo eine eigennützige oder mitleidige Seele!“ Er schlug an alle Hausthüren; aber vergebens!

„Nun denn! rief er zornig, weckt Klopfen euch nicht, vielleicht thut’s dieß! – Hier zog er eine Pistole heraus, und drückte sie ab. Die Todtenstille der Nacht verstärkte den Schall; das arme weiße Ding bebte zurück, und sein lauter Schrei machte, daß der Reisende sich umsah.



Zwar zeigte seine erste Miene, daß eine Figur, wie diese, ihm kein ganz alltäglicher Anblick sei; aber doch faßte er sich bald, winkte ihr, näher zu kommen, und fragte: Wer sie sei?

„Laß das jetzt noch! erwiederte sie, und nahte sich: du sollst es bald hören; genug, daß ich dir nichts thun werde.“

„Und wer befürchtet das? antwortete der Deutsche lächelnd. Dein Ausruf hat deine Zaghaftigkeit deutlich genug charakterisirt, und ich wette, du bist nicht weit von hier zu Hause.“

„Getroffen, wenn du von ehemals, und gefehlt, wenn du von jetzt sprichst! – Aber wenn du anders mit mir reden, und erfahren willst, wer ich sei, so beantworte zuvor mir einige Fragen.“

„Warum das nicht? Sag’ an!“

„Du lasest vorhin ein Heft, voll so krauser, sonderbarer Figuren, als ich noch nie sie sah; geschrieben konnte das doch nicht seyn?“

„Das war’s auch nicht. – Du wirst doch Gedrucktes kennen? “

„Gedrucktes? – Gedrucktes? – Nein! der Begriff ist mir ganz fremd. Sage mir doch, wodurch unterscheidet es sich denn vom Geschriebenen?“

„Dadurch, daß 150 Menschen kaum die Hälfte von dem schreiben, was ein einziger in gleicher Zeit druckt; daß der Druck schöner, gleicher und dauerhafter, als jenes, und doch der Preis von ihm kaum den sechsten Theil des Erstern beträgt.“

„Wichtige Vortheile! in der That sehr wichtige! rief das fragende Ding, und legte bedächtig den Spitzfinger der linken Hand über die gebogene Nase. – Eine Erfindung, durch welche Literatur und Kunst an Mittheilbarkeit mächtig gewonnen haben müssen!“

„ Allerdings!“

„Und der Erfinder dieser nützlichen Sache – ich habe die möglichste Hochachtung für ihn – wer war er?“

„Ein Landsmann von mir, ein Deutscher.“

„Du ein Deutscher? Er dein Landsmann? Fürwahr! er macht dir Ehre; es muß ein trefflicher Kopf gewesen sein! Ich wollte viel darum schuldig sein, daß er der meinige gewesen. – Doch hiermit ist meine Neugier noch nicht gestillt. – Du hattest da auch ein anderes Ding, das zum Erstaunen richtig die Stunde angab; was ist denn das?“

„Was sonst, als eine Taschenuhr!“

„Taschenuhr? Hm! zu meiner Zeit kannte man nur Sonnen-, Sand- und Wasseruhren; aber trotz ihrer Größe, Unbequemlichkeit und Kostbarkeit waren sie noch höchst wandelbar und ungewiß. – Ich dächte, ein Ding so in der Tasche bei sich zu führen, und so zuverlässig in seiner Anzeige müßte ein herrliches Hilfsmittel auf weiten Reisen abgeben, und dem Wanderer und Handelsmann gleich nützlich sein.“

„Es freut mich, daß du so schnell den Nutzen von Dingen erräthst, die dir zu meinem Erstaunen ganz fremd sind. – Wer bist du denn? Du sagtest vorhin: zu deiner Zeit; was ist denn das für eine Zeit?“

„Ei, was! Neugier steht einem Manne übel an! – Sage mir lieber, wer erfand das?“

„Auch ein Deutscher.“

„Das brave Volk! Es verdient mein Lob. – Wer sollte dieß in diesen blauäugigen Barbaren gesucht haben? –

Empfohlene Zitierweise:
Kaspar Braun, Friedrich Schneider (Red.): Fliegende Blätter (Band 1). Braun & Schneider, München 1845, Seite 11. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Fliegende_Bl%C3%A4tter_1.djvu/15&oldid=- (Version vom 1.8.2018)