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Seite:Fliegende Blätter 1.djvu/16

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Doch es sei! – Nun da ich einmal nachzuforschen begonnen, besinne ich mich auf meinen alten Wahlspruch: Nie in halbem Wege wieder umzukehren. – Beantworte mir daher noch eine Frage, und ich gebe dir mein Wort, es ist die letzte vorjetzt. Du hattest da auch ein drittes Ding, das den Donner und Blitz im Kleinen nachmachte, und der Himmel weiß, wie? sogar in jene Thür, trotz der weiten Entfernung, eingeschlagen hat; wie nennt ihr denn das?“

„Eine Pistole.“

„Und seine Natur? Die Art, wie es so heftige Wirkungen hervorbringt?“

Der Deutsche, der einmal ins Reden gekommen, nahm hier die zweite Pistole hervor, wieß sie ihm, drückte sie wie die erste ab, erklärte ihre Struktur, die Bestandtheile des Pulvers, seine Macht im Großen und Kleinen, und kurz – er verschaffte ihm, so viel sich’s mit wenigen Worten thun ließ, einen hinlänglichen Begriff davon.

Das Erstaunen des forschenden Wesens stieg hier aufs höchste.

„Wie nützlich, rief es aus, dieß im Kriege sein muß! Wie dienlich zu Eroberung fester Städte! Wie schnell entscheidend in Schlachten! – O, ich beschwöre dich: wer erfand das?“

„Wer sonst als ein Deutscher?“

Der Geist – denn was verschweigen wir es länger, daß es ein Geist war? – bebte hier drei Schritte zurück.

„Immer Deutscher, und wieder Deutscher! Woher in aller Welt ist euch die Weisheit zu Theil worden? Wisse, so wie ich hier vor dir stehe, war ich einst, ohne Eigenliebe gesprochen, der Geist des Cicero, des weisesten Mannes seiner Zeit, des Vaters seines Vaterlandes, des Besiegers der Parthen, des Beredtesten unter den Sterblichen, des – doch wer kennte mich nicht? Erlaube lieber, daß ich auch als Geist noch die Bescheidenheit beibehalte, die mich im Leben zierte. – Aber zu meiner Zeit waren, aufrichtig zu reden, deine Landsleute eines der dümmsten Völker, das je die Sonne beschienen: rauh, wild, ohne Ackerbau und Viehzucht, ganz den Wissenschaften und Künsten fremd, ewige Jäger, ewige Krieger, in Thierhäute eingenäht, und selbst beinah unbezähmbare Thiere. – Doch allem Ansehen nach müßt ihr euch indeß trefflich geändert haben. – Wenn ich mir nun vollends meine damaligen Mitbürger denke, nach dem großen Vorsprunge, den sie vor euch hatten: im Krieg und Frieden unerreichbar, Redner, Dichter, Geschichtschreiber, Herren der halben Welt, das erste Volk unter der Sonne! – O gewiß! sie müssen jetzt nah an die Gottheit grenzen! – Daß ich sie sehen könnte! Wenige Minuten noch, und das Dasein der ersten Stunde nöthigt mich wieder zur Unterwelt hinab, von der ich vielleicht in den nächsten 1800 Jahren mich nicht entfernen, und nur in weiten Einöden mit mir selbst schwatzen darf, weil es dem Murrkopf Minos scheint, als hätte ich hier oben ehemals dann und wann zu viel gesprochen. “

Der Deutsche lächelte; „So, sagte er, wie ich bin, sind alle meine Landsleute, oder könnten’s wenigstens sein; – Gefallen wir dir doch also, so wie wir zu euch kommen?“

„Allerdings.“

„Und du möchtest gern sehen, wie die deinigen, oder wenigstens deren größter Theil zu uns kömmt?“

„O für mein Leben gern!“

„Nun so warte einige Augenblicke! Ich verstehe ein wenig Magie. Dir zu gefallen, will ich sie nützen.“

Er winkte, und sogleich erschien auf jeder Seite der Gasse ein Savoyard:



„Kauft Hecheln, kauft!“ – „Schön Schattenspiel an der Wand, schöne Margaritha! Wer schaut!“ – so schallte es aus beider Munde.

„Sieh! fuhr der Deutsche fort: Sieh, Cicero, so kommen deine Nachkommen, die ehmaligen Herrscher der Welt, die ersten unter den Menschen, das Volk mit dem mächtigen Vorsprunge, so kommen sie größtentheils zu uns. – Gefallen sie dir?“

Der Geist verstummte. Denn eben schlug es ein Uhr, und er schien mit Unwillen von dannen zu fliehen.

Aber mit noch größerm standen die edlen Venetianer auf; beurlaubten sich mit kalten Lächeln, und hätten vielleicht bald sich thätig gerochen, wäre nicht Prinz und Kammerherr schon des nächsten Tages verschwunden.

(Nach Meißner.)

Empfohlene Zitierweise:
Kaspar Braun, Friedrich Schneider (Red.): Fliegende Blätter (Band 1). Braun & Schneider, München 1845, Seite 12. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Fliegende_Bl%C3%A4tter_1.djvu/16&oldid=- (Version vom 31.7.2018)