Seite:Fliegende Blätter 1.djvu/155

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Schach!!




Die Fabel von der Nase.


Die Tafel war gedeckt zum Fest;
Es traten ein die hohen Gäst’;
Darunter auch ein Ritter war
Mit grauem Bart und rothem Haar

5
     Und einer ungeheuren Nase.


Der Narr, der mit zu Tische stand,
Die Nase gar possierlich fand;
Er lugt sie an, er lacht sie an.
Und spricht, daß’s Jeder hören kann:

10
     Hu! welche große, grause Nase!






Der Herr, ob dieser frechen Red’
Den Narren streng bestrafen thät;
Der merkt es sich, und geht in sich,
Und spricht gar leis und höfelich:

15
     Ei! welche kleine, feine Nase!



Der Herr, ergrimmt ob diesem Wort,
Schafft alsobald den Narren fort;
Der sinnet nach und grübelt nach.
Und spricht, um abzuthun die Schmach:

20
     Gelt: du hast wohl gar keine Nase!






Und hat euch nun die Mähr ergötzt,
So merkt euch diesen Spruch zuletzt:
Wer über fremde Mängel spricht,
So gut er’s macht, er trifft es nicht –

25
     Das lehrt die Fabel von der Nase.


Empfohlene Zitierweise:
Kaspar Braun, Friedrich Schneider (Red.): Fliegende Blätter (Band 1). Braun & Schneider, München 1845, Seite 151. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Fliegende_Bl%C3%A4tter_1.djvu/155&oldid=- (Version vom 9.3.2019)