Seite:Fliegende Blätter 1.djvu/157

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.



Nro. 20.
Bestellungen werden in allen Buch- und Kunsthand- Erscheinen monatlich zwei bis drei Mal. Subscriptionspreis
lungen, sowie von allen Postämtern und Zeitungs- für den Band von 24 Nummern 3 fl. 36 kr. R.-W. od. 2 Rthlr.
expeditionen angenommen. Einzelne Nummern kosten 12 kr. R.-W. od. 3 ggr.


Fritz Beutels wunderbare Fahrten und Abenteuer
zu Wasser und zu Lande.
(Fortsetzung.)


Zweites Kapitel.
Fritz Beutels Geburts-, Jugend und Erziehungsgeschichte.

In der gewöhnlichen Weinkneipe, zu der gewöhnlichen Stunde, vor dem gewöhnlichen Auditorium hält Fritz Beutel heute folgenden Vortrag:

„Was der Mensch will, das kann er auch. Zwei Momente gibt es jedoch, über die nach der gebräuchlichen Annahme der Mensch keine Macht besitzt: Geburt und Tod. Daß diese Annahme falsch sei, kann ich mit meinem eigenen Beispiele beweisen. Ich bin mehrmals so gut wie todt gewesen, habe mich aber stets wieder bloß durch meinen festen Willen zum Leben zurückgebracht. Merkwürdige Fälle dieser Art erzähle ich Ihnen ein andermal. Heute habe ich es jedoch nur mit meiner Geburt zu thun.

Mein Vater war nämlich ein armer Schulmeister, mithin war meine Mutter auch arm. Vier und zwanzig ihrer Kinder waren bereits gestorben, vier und zwanzig lebten noch. Nicht zu verwundern, meine Herren! denn meine Mutter brachte immer Sechslinge zur Welt, einmal hatte sie die Menschheit gar um einen Zwölfling vermehrt. Ich aber war ein gewöhnlicher Einling, obschon in jeder andern Hinsicht ungewöhnlich genug. Ihrer Armuth wegen hatten sich nun meine Aeltern vorgenommen, daß ich absolut nicht geboren werden sollte. Ich aber, von jeher ein Trotzkopf, der vor keinem Hindernisse zurückschreckte, hatte mir fest in den Kopf gesetzt, geboren zu werden – und ich wurde geboren. Mit den Worten: „Guten Morgen, liebe Aeltern!“ erblickte ich an einem schönen Frühlingsmorgen das Tageslicht.



Ich erinnere mich ganz deutlich, wie ich sogleich die große Schüssel mit dem Mehlbrei ergriff, der für meine vier und zwanzig Geschwister zum Frühstück bestimmt war, die Schüssel an den Mund setzte und bis zur Nagelprobe ausschlürfte.

Empfohlene Zitierweise:
Kaspar Braun, Friedrich Schneider (Red.): Fliegende Blätter (Band 1). Braun & Schneider, München 1845, Seite 153. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Fliegende_Bl%C3%A4tter_1.djvu/157&oldid=- (Version vom 22.2.2019)