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Schwank aus dem Hungerjahre 1817.



Man hat mir einen Schwank gesagt,
Ich sag’ ihn auch, wenn’s euch behagt.

Zwei Bauern in der Schenke saßen,
Und wuchrisch ihren Schatz ermaßen.

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Die Körnerfrucht in ihrer Scheuer,

Wiewohl der Kern schon wäre theuer,
Müßt er viel höher noch hinauf,
Bevor sie schritten zum Verkauf.
Da sprach der eine im Verlauf:

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Nicht eh’r verkauf ich meinen Trödel,

Bis einen Gulden kost’ ein Knödel.
Das hat der Wirth mit angehört;
Ob ihn der Wucher hat empört,
Oder hat ihn bloß der Schalk gestochen,

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Genug, er hat es brav gerochen.

Denn da sich eben die Gesellen
Thäten ein Mittagsmahl bestellen.
Ließ er, sie wacker zu bedienen,
Kochen zwei Dutzend Knödel ihnen.

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Die gar so wohl bereitet schienen,

Daß die zwei Bauern, gar nicht stutzend,
Von Knödeln jeder fraß ein Dutzend.
Drauf, nach dem Mahl den Mund abputzend,
Sie nach der Zehrung fragten den Wirth.

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Der sprach: zwei Dutzend Knödel wird

Grad vier und zwanzig Gulden machen.
Da wollten erst die Bauern lachen;
Ob denn ein Knödel ein’ Gulden kost’!?
Sprach der Wirth aber gar getrost:

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Ihr habet selber ja gesagt:

Daß es nicht anders euch behagt,
Eh’r zu verkaufen euern Trödel,
Bis einen Gulden kost’ ein Knödel;
So mögt ihr nun verkaufen getrost,

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Weil das Knödel ein’ Gulden kost’t.

Da schnittens grämliche Gesichter,
Und appellirten an den Richter;
Der aber, zu gemeinem Frommen
Verurtheilt auch sie zu der Summen

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Und zu den Kosten obendrein.

Da mußten sie, um quitt zu seyn,
Weil sie nicht hatten baare Gulden,
Um zu tilgen die Knödelschulden,
Vom aufgesparten Körnerhaufen

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Ein tüchtig Zahl und Maß verkaufen,

So viel es eben kosten will.
Der Wirth strich ein die Gulden still,
Und sprach: Ihr könnt in Frieden gehen,
Denn euer Will ist heut gescheh’n;

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Doch kehrt ihr künftig bei mir ein,

Werden die Knödel wohlfeiler seyn.




Die Vacanz.



He Nachbar!, was thut ihr da?
Ich sperre meinen Laden und gehe in die Vacanz!
Und wenn nun die Leute kommen und wollen Brod?
Das geht mich nicht an! Der Mensch muß eine Erholung haben!



Empfohlene Zitierweise:
Kaspar Braun, Friedrich Schneider (Red.): Fliegende Blätter (Band 1). Braun & Schneider, München 1845, Seite 182. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Fliegende_Bl%C3%A4tter_1.djvu/186&oldid=- (Version vom 2.4.2020)