sein Herz genistet, als ob’s die eigenen wären, und er fühlte sich glücklich und zufrieden. Dies sagte er ohne Scheu und Zögern dem dienstbaren Kobold, der als Freiherr von Spinnenkram einst bei ihm einkehrte und tête-à-tête nach seinem Wohlbefinden fragte. „Welch ein Thor war ich!“ rief Julius; „auf der goldnen Mittelstraße findet man das Glück, und Liebe und Freundschaft lügen doch nicht wie die Schattenbilder, die sich dafür ausgeben. Ich habe das große Loos gewonnen. Die Arbeit macht mich glücklich; mich erfreut Gattin und Freundeswort, und ich bin Herr im Hause, worin mir weder Prinz, noch Admiralität, noch Landstand, noch ein Kislar Aga, am allerwenigsten ein schmutziger Beduine zu befehlen hat. Mispelchen, Herzchen, nun dank ich Ihnen erst, und dispensire Sie von jedem weitern Dienste.“ – „Du täuschest Dich, fürcht’ ich,“ entgegnete der winzige Freund spöttisch; „die Heuchelei der Weiber ist ohne Ende. Der sich der Herrschaft über sie rühmt, steht gewiß unter dem Pantoffel.“ – Julius lachte. – „Und ihre Treue?“ – fuhr Mispel fort. – „Lauter und rein.“ - ,,Und der Hausfreund?" – „ Ein ächter Mann von altem Schrot und Korn, der während meiner – meines Vorgängers Abwesenheit allein mein Hauswesen aufrecht hielt. Lassen Sie daher jeden Spott, denn ich bin glücklich.“ – So eben schwebten die blühende Frau, die herrlichen Kinder herein; der Freund kam als Gast zum frugalen Mahle, und bei der Gärtnerburschen fröhlichem Saiten- und Flötenspiel tafelte hier ein zufriedener Verein. Nur das Koboldchen war verdrüßlich, denn es hatte sich, wie es grämelnd einsah, total geirrt. Es hatte geglaubt, den Lebensüberdrüssigen in ein ehelich Fegfeuer zu setzen, um ihn alsdann zu seinem Leibeigenen zu gewinnen, und hatte in der Eile fehlgegriffen. Er brütete daher über einem Plane, wie dem Glücke seines Protégés am Besten beizukommen sei.
„Rathe einmal, was ich in diesem Kästchen verwahrt halte?“ fragte Julius’ Gattin, als er am nächsten Tage von der Arbeit zum Mittagsmahle kam. Julius betrachtete das niedliche Nähkästlein aufmerksam, ohne zu errathen. Aber eine Stimme, die aus dem Innern drang, half ihm aus dem Traume. „Bitte, bitte, lieber Herr, – lispelte sie – mach’ auf, und glaub’ der Frau kein Wort.“ – „Ei, Mispelchen, wie kommst du denn in den engen Karzer?“ fragte Julius verwundert. – „Auf die leichteste Art von der Welt, “versetzte die Frau lächelnd! „Das boshafte Wesen wollte Unkraut unter den Waizen säen, und ’s ist ihm mißglückt. Kam es etwa nicht vor einer Stunde in feiner Barongestalt, und that so schön und freundlich, um mich zu berücken? Erzählte es mir nicht etwa die wunderlichsten Dinge von Dir, und wollte mich überreden, Du seist gar nicht mein rechter Mann, sondern ein unbeständiger verlarvter Wildfang? Bot er mir nicht etwa Gold, Perl und Edelstein, und muthete mir zu, Dir die Treue zu brechen? Ich merkte aber die Tücke, und mein Mutterwitz belehrte mich, daß dahinter der Böse stecken müsse. Und ich schmeichelte und plauderte, und eh’ sich die Hand umkehrte, hatt’ ich’s heraus, daß Monsieur Asmodi unter dem Freiherrnrocke hause. Er läugnete auch endlich nicht, und da ich mich ungläubig stellte, als er von seiner Zaubermacht sprach, und ihm verhieß, ihm nur zu vertrauen, wenn er vor meinen Augen sich in dieses Kästlein logirt haben würde, – da ging der Einfältige in die Falle. Den Deckel schlug ich zu; und ein frommer Spruch, den die Großmutter mich einst lehrte, hält den Schelm darinnen fest. Jetzt aber, lieber Mann, trage schleunig das kleine Ungethüm in’s Wasser, wo’s am tiefsten ist, damit es vor der Hand Niemand schade. Der Schlüssel zu dem Kerker schmilzt dort in der Herdesflamme.“ – Julius stand verdutzt, bis endlich sein Grimm ob der Bosheit des Geistes wach wurde. Vergebens verschwendete dieser alles Flehen. „Nein Du mußt gezüchtigt sein, Du Teufelsbrätchen,“ rief der erzürnte Gatte: ,,wär’s nur um Deiner Thorheit willen, Du dummer Gnome!“ und schleuderte das Kästchen, in dem es gräulich schnarrte und knurrte, in die Fluth. Die Frau aber sprach sanft und ernst zu ihm: ,,Bring’ mir keine solche Gesellschaft mehr in mein frommes Haus. Nicht immer möchte der Spuck so folgsam sein. Und merk es Dir, Geliebter! Arbeit, Freundschaft, Treue und selige Liebe sind himmlische Wächter des Herdes, denen kein unsaubrer Geist zu nahen hat. Jetzt aber nimm diesen Kuß und Alles sei vergessen!“ – Julius wand sich lächelnd aus der süßen Umarmung, und flüsterte vor sich hin: „Das hätte mir einmal vor Zeiten eine Frau sagen sollen! Und diese, – so sanft und weich sie mit mir spricht, – diese erlangt doch Alles von mir, was sie auch will. Ich merk’s wohl, daß ich nicht Herr im Hause bin. Aber soll ich das angenehme Pantöffelchen schmälen, da doch der Mispel sogar vor ihm in’s Kästchen kroch? Weg mit der Erinnerung an frühere Zeiten. Treu will ich wandeln den Pfad, auf den mein Schicksal mich geführt, König meiner Blumen, Vater meiner Kinder sein, und ewig halten an Liebe und Freundschaft!“
Und er hat es nie bereut.
Kaspar Braun, Friedrich Schneider (Red.): Fliegende Blätter (Band 2). Braun & Schneider, München 1846, Seite 101. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Fliegende_Bl%C3%A4tter_2.djvu/105&oldid=- (Version vom 15.9.2022)