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Seite:Fränkische Blätter nebst dem Beiblatt Der Nürnberger Trichter.djvu/130

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Hermann Wimmer (Red.): Der Nürnberger Trichter

Mein Herr Papa lag noch im Bette, als ich in dessen Schlafzimmer eintrat. Ich näherte mich demselben nun im feierlichen Schritt, überreichte ihm unter holdseligem Lächeln den Blumenstrauß, dann die Torte und zuletzt nahm ich die Papierrolle und begann salbungsreichst: „Pater amatus“ etc.

Man muß selbst Vater sein, um das überschwenglich glückliche Gefühl ermessen zu können, das Jeden beschleicht, wenn er von seinem künftigen Stammhalter lateinisch angeredet wird; darum nahm auch mein Vater seine silberne Brille ab und wischte sich eine Zähre der freudigen Rührung aus einem Auge: „Mein Sohn,“ begann er darauf mit bewegter Stimme, „meinen Dank für deine schöne Gratulation. Ich wünsche nur, daß sie dir ganz von Herzen geht, und bin in der That erstaunt über deine gewaltigen Fortschritte in der lateinischen Sprache. Ist dies auch wirklich dein eigenes Produkt?“

„Ja,“ erwiederte ich in einiger Verlegenheit – denn es war dies die erste Lüge an meines Vaters Geburtstag – „ja, ich habe alles ganz allein gemacht.“

„Fahre so fort, mein Sohn, das ist brav von dir,“ sagte mein Herr Papa, „und ich hoffe dann noch Freude an dir zu erleben.“ –

Jahre sind seit dieser Gratulation verflossen und immer noch bin ich nicht gewiß, was mein Vater damit sagen wollte: ich solle so fortfahren. Meinte er damit meine erste Lüge an diesem Tage oder meine lateinische Gelehrsamkeit? So viel aber ist gewiß, daß ich nach jenem Tage mich nie mehr der gebundenen Sprache bediente und lieber, wie man weiß – oft Ungereimtes schrieb.

Aug. Dorff.     

Vorwärts und dann aufwärts.

Sind wir mit der Erde fertig,
Ist die frei nach unserm Sinn,
Sei der Himmel nur gewärtig,
Daß wir kommen dann an ihn.

5
Werden lehren dann euch Sterne

Sternensouveränetät!
Sklaven, die ihr euch so gerne
Noch um eine Sonne dreht!

Wisset! ihr seid Miriaden;

10
Wißt! ihr macht die Nacht zum Tag!

Wißt! ihr seid von Gottes Gnaden,
Mit der breit’sten Unterlag.

Packt des Sonnenwagens Räder!
Schreit der Kön’gin in’s Gesicht:

15
Fort mit dir! der Sterne jeder

Hat fortan sein eignes Licht!

Justinus Kerner.     

Empfohlene Zitierweise:
Hermann Wimmer (Red.): Der Nürnberger Trichter. Friedrich Campe, Nürnberg 1848, Seite 30. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Fr%C3%A4nkische_Bl%C3%A4tter_nebst_dem_Beiblatt_Der_N%C3%BCrnberger_Trichter.djvu/130&oldid=- (Version vom 31.7.2018)