der Scheune wurde der Küppers’sche Garten in Augenschein genommen und alsdann in der Kirchstraße zunächst der Zeuge Mölders und alsdann der 9jährige Knabe Gerhard Heister aufgefordert, die Stelle anzugeben, von der aus sie gesehen haben wollen, wie das Kind in das Buschhoff’sche Haus gezogen worden sei. Während der Knabe Heister genau angab, daß er auf dem an der Clever- und Kirchstraßen-Ecke belegenen Prellstein, etwa 50 Schritt von dem Buschhoff’schen Hause, das Hineinziehen wahrgenommen, bezeichnete Mölders eine etwa 20 Schritt entfernt belegene Stelle, auf der er das Hineinziehen des Kindes gesehen habe.
Der Oberstaatsanwalt bemerkt, daß Mölders in seinen Angaben avancirt sei, er habe zunächst etwa 10–12 Schritt, alsdann 12–14 Schritt, in einer späteren Vernehmung 18–20 und jetzt sei er schon auf 20 Schritt angelangt. Er (Oberstaatsanwalt) müsse allerdings bemerken, daß es ungemein schwer sei, heute noch genau zu wissen, auf welcher Stelle er gestanden habe. Es werden alsdann verschiedene Versuche gemacht, von einer herauslangenden Hand vorübergehende Kinder in das Buschhoff’sche Haus zu ziehen. Die Versuche ergaben, daß ein Hineinziehen des Kindes wohl möglich ist, ohne daß man die hineinziehende Person sehen konnte. Letztere mußte aber dabei auf der Lauer stehen. Ein genaues Ergebniß war kaum festzustellen.
Der Präsident zeigt außerdem den Geschworenen die dem Buschhoff’schen Hause gegenüberliegende Pumpe, wo die Pumpenkirmes abgehalten wird und endlich das kleine Pflegekind des Ullenboom. Endlich begiebt sich das Schwurgericht noch einmal in die Küppers’sche Fruchtscheune.
Der Präsident theilt mit, daß die Tochter des Mölders, die in Gelsenkirchen an einen Bergmann verheirathet ist, laut eines an die Oberstaatsanwaltschaft gelangten Schreibens erzählt haben soll: Ihrem Vater sei von dem oder den Juden 500 Mk. geboten worden, wenn er seine Aussage zurückziehe.
Präs.: Ist das wahr, Mölders, haben Ihnen die Juden oder ein Jude 500 Mark geboten, wenn Sie Ihre Aussage widerrufen? – Mölders: „Nit eenen Penning.“ (Nicht einen Pfennig.) – Präs.: Diese Behauptung ist also ebenso wie viele andere aus der Luft gegriffen.
Hierauf wird, auf Wunsch eines Geschworenen, der geistesschwache Drechsler Knippenberg in die Scheune gerufen, an die Mordstätte geführt und nochmals eingehend gefragt, ob er das kleine Joanchen geschlachtet habe. Die Vernehmung
Hugo Friedländer: Der Knabenmord in Xanten vor dem Schwurgericht zu Cleve vom 4. bis 14. Juli 1892. W. Startz, 1892 Cleve, Seite 122. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Friedlaender-Der_Knabenmord_in_Xanten_(1892).djvu/122&oldid=- (Version vom 31.7.2018)