Erster Staatsanwalt Baumgard: Meine Herren Geschworenen! Ich habe schon gestern gesagt, eine ganze Reihe von Indizien sind zum Beweise der Schuld des Angeklagten herangezogen worden, ich habe Ihnen gestern bereits auseinandergesetzt, daß diesen Indizien, wie die Verhandlung ergeben, jede objektive und subjektive Grundlage fehlt. Allein es ist von Buschhoff in glaubhaftester Weise nachgewiesen, wo er sich am Peter-Paulstage 1891 aufgehalten hat. Es dürfte Ihnen erinnerlich sein, daß Buschhoff aus Anlaß des Sterbetages seines Vaters Morgens gegen halb 6 Uhr in die Synagoge gegangen ist. Er ist gegen halb 9 Uhr des Morgens nach Hause gekommen. Alsdann hat er verschiedene Geschäftsgänge gemacht. Gegen halb 10 Uhr Vormittags ist er wieder nach Hause gekommen, hat im mittleren Zimmer mit den Zeugen Kock und Traug verschiedene geschäftliche Angelegenheiten besprochen. Etwa gegen 10 Uhr ist Ullenboom mit seinem Pflegekind zu Buschhoff gekommen. Gegen halb 11 Uhr Vormittags ist Buschhoff wieder fortgegangen und gegen halb 1 Uhr wieder nach Hause gekommen. Buschhoff hat durch einwandfreie Zeugen ganz genau nachgewiesen, wo er sich während dieser Zeit aufgehalten hat. Eine ganze Reihe von Zeugen haben ihn während dieser Zeit gesehen. Daß die Zeitangaben stimmen, dafür bürgt der Umstand, daß die Zeugen die Zeit nach dem Läuten zum Hochamt berechneten. Dies Läuten geht aber in pünktlichster Weise vor sich. Gegen 1 Uhr Mittags hat Buschhoff mit seiner Familie Mittag gegessen.
Er hat alsdann ein kleines Mittagsschläfchen gehalten und hierauf die Zeitung gelesen. Gegen 2 Uhr Nachmittags ist Siegmund Isaak und das Fräulein Kahn zu Buschhoff gekommen und sind bis 4 Uhr Nachmittags dort geblieben. Gegen 3 Uhr Nachmittags ist Buschhoff zur Pumpen-Kirmes gegangen, ist bei dieser bis 5 Uhr geblieben, ist alsdann in die Gastwirthschaft zu Schaut gegangen und dort geblieben, bis die Nachricht von der Auffindung der Leiche eintraf. Sie erinnern sich, daß auch genau nachgewiesen wurde, wo sich Frau Buschhoff den ganzen Tag über aufgehalten hat. Ja, ich muß gestehen, in meiner langjährigen kriminalistischen Praxis ist mir noch kein Fall passirt, wo der Alibi-Beweis in so überzeugender Weise gelungen ist. Es ist auch genau festgestellt worden, wo sich der kleine Siegmund Buschhoff den Tag über aufgehalten hat. Es fällt damit
Hugo Friedländer: Der Knabenmord in Xanten vor dem Schwurgericht zu Cleve vom 4. bis 14. Juli 1892. W. Startz, 1892 Cleve, Seite 133. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Friedlaender-Der_Knabenmord_in_Xanten_(1892).djvu/133&oldid=- (Version vom 1.8.2018)