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Hugo Friedländer: Interessante Kriminal-Prozesse von kulturhistorischer Bedeutung, Band 10

lebhaften Temperament zeitweise sich sehr gesteigert haben. Sein Verhalten ist besonnen und der jeweiligen Situation angemessen, er besitzt ein gutes Urteil. Zeichen von Erregung sind nicht wahrzunehmen, selbst nicht, wenn die Rede auf seine Frau, seinen Bruder und auf seinen Aufenthalt in der Anstalt kam. Die Erregung des Herrn Lubecki hat abgenommen, er befand sich in einer normalen Affektlage und war imstande, seine geschäftlichen Angelegenheiten selbst wahrzunehmen. Dieses Attest datierte vom 5. Februar 1907. – Professor Dr. Nissel (Heidelberg) kam in seinem Attest, das er nach eingehender Untersuchung des Lubecki ausgestellt hatte, zu dem Schluß, daß bei dem Patienten, dessen Gedächtnis vorzüglich sei, keinerlei Symptome für eine progressive Paralyse festgestellt werden konnten.

Hierauf nahm Staatsanwalt Dr. Rasch das Wort zur Schuldfrage: Wer den Artikel der „Zeit am Montag“, in dem das Schicksal des Herrn Lubecki geschildert wurde, gelesen hat, der mußte sich fragen: wie ist so etwas in einem modernen Rechtsstaate möglich? Heute, wo der Fall in dreitägiger Verhandlung bis in die entferntesten Winkel beleuchtet worden ist, wird jeder, der der Verhandlung unbefangen gefolgt ist, fragen: Wie war es möglich, gerade diesen Fall Lubecki zu so schweren Angriffen gegen die Handhabung des Irrenwesens im allgemeinen, gegen die Provinzialverwaltung und gegen die Leiter und Ärzte der Anstalt zu Leubus im besonderen zu benutzen? Die Angriffe sind völlig unberechtigt, das wird jeder, der die Beweisergebnisse unbefangen auf sich wirken läßt, zugeben. Von den Angriffen hat sich auch nicht ein einziger als berechtigt herausgestellt. Es ist gar kein Zweifel, daß Herr Lubecki aufnahmebedürftig war, die polizeiliche Zustimmung dazu lag vor. Lubecki war zu jener Zeit eine Gefahr für sich und seine Umgebung. Die Pflegschaft der Frau war gleichfalls durchaus erforderlich und nach den gesetzlichen Vorschriften zustande gekommen. Was die Behandlung in der Anstalt

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Hugo Friedländer: Interessante Kriminal-Prozesse von kulturhistorischer Bedeutung, Band 10. Hermann Barsdorf, Berlin 1914, Seite 296. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Friedlaender-Interessante_Kriminal-Prozesse-Band_10_(1914).djvu/300&oldid=- (Version vom 10.10.2022)