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Hugo Friedländer: Interessante Kriminal-Prozesse von kulturhistorischer Bedeutung, Band 10

betrifft, so haben die Ärzte dort alles in Anwendung gebracht, was nach dem heutigen Stande der Wissenschaft möglich ist. Das viel besprochene Wasserbad ist, nach dem heutigen Stande der Wissenschaft, als bestes Mittel zur Beruhigung der Kranken anzusehen, wenn auch die Ansichten der Sachverständigen in diesem Punkte verschieden sind. Ebensowenig kann die Rede davon sein, daß böswillig eine Zwiesprache des Angeklagten mit dem Landeshauptmann verhindert worden sei. Was in aller Welt hätten denn auch die Ärzte für einen Grund und Interesse, Herrn Lubecki zurückzuhalten? Die heute noch vorgeführten Atteste der beiden Professoren ändern den Tatbestand gar nicht, denn aus ihnen geht doch lediglich hervor, daß Herr Lubecki nicht an Paralyse leidet, und daß diese Diagnose, die anfangs auch einmal als möglich hingestellt worden, nicht aufrechterhalten werden kann. Aus dem Artikel ist herauszulesen, daß die Anstellung zweier Ärzte als Schwiegersohn und Sohn des Leiters in der Anstalt ein Unding sei, und daß die Provinzialverwaltung die Ärzte angestellt habe aus Familienrücksichten, ohne auf die Interessen der Kranken zu achten. Über die Opportunität eines solchen Verhältnisses können Zweifel entstehen, aber davon, daß aus diesem Verhältnis eine Gefahr für die Behandlung der Kranken entstanden sei, kann keine Rede sein. Weder den Leiter noch die Ärzte trifft der geringste Vorwurf. Die Vorwürfe in dem Artikel sind geeignet, die angegriffenen Herren in der öffentlichen Meinung stark herabzusetzen. Es sind aber auch formelle Beleidigungen in dem Artikel. Die Beleidigungen sind außerordentlich schwer, sie betreffen Ärzte und Anstalt, die das höchste Ansehen genießen, auf die die Provinzialverwaltung besonders stolz ist. Der Angeklagte behauptet, daß er nur auf eine Lücke in der modernen Irrengesetzgebung hinweisen wollte. Er hätte sich dazu kein ungeeigneteres Objekt auswählen können, und er ist nicht mit genügender Vorsicht vorgegangen. Er (Staatsanwalt)

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Hugo Friedländer: Interessante Kriminal-Prozesse von kulturhistorischer Bedeutung, Band 10. Hermann Barsdorf, Berlin 1914, Seite 297. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Friedlaender-Interessante_Kriminal-Prozesse-Band_10_(1914).djvu/301&oldid=- (Version vom 10.10.2022)