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Hugo Friedländer: Interessante Kriminal-Prozesse von kulturhistorischer Bedeutung, Band 10

2: Ist die Angeklagte schuldig, den Rieß nach Begehung der Tat begünstigt zu haben, um ihn der Bestrafung zu entziehen.

Es begannen alsdann die Plaidoyers. Erster Staatsanwalt Hepner: Meine Herren Geschworenen! Zwei Jahre sind ins Land gegangen, seitdem der Gutsbesitzer Rosengart in Zögershof in seinem Wohnzimmer meuchlings getötet worden ist, und noch immer ist dieses Verbrechen nicht gesühnt. Der Mann, der aller menschlichen Voraussicht nach den Mord begangen hat, ist wohl einige Tage nach dem Morde in Haft genommen worden. Allein dieser Mann ist nach wenigen Monaten einer tückischen Krankheit erlegen. Der Tod des Rieß ist höchstwahrscheinlich beschleunigt worden, weil er am Abend des 19. März 1897 über ein aufgeweichtes Feld in schnellem Trabe gelaufen ist, und durch die veränderte Lebensweise, zu der der Mann im Gefängnis gezwungen war. Der Mörder ist der Gerechtigkeit entronnen, er steht vor einem höheren Richter. Doch nicht gesühnt ist die Freveltat der Frau, die hier auf der Anklagebank sitzt und heute Ihres Wahrspruchs harrt. Ich gebe mich der Hoffnung hin, daß Ihr Wahrspruch der Gerechtigkeit entsprechen wird. Dem Manne, der meiner festen Überzeugung nach die Mordwaffe gegen Rosengart gerichtet hat, ist von den verschiedensten Leuten das beste Leumundszeugnis ausgestellt worden. Ich habe die Überzeugung erlangt, Rieß hätte sich niemals dazu verstanden, ein solch grausiges Verbrechen zu begehen, wenn ihm nicht gewissermaßen von dieser Frau die Mordwaffe in die Hand gedrückt worden wäre. Die Frau war über den Tod ihres Mannes nicht besonders betrübt. Sie wurde drei Wochen nach dem Morde ebenfalls verhaftet, wegen Mangel an Beweisen mußte sie aber sehr bald wieder entlassen und das Verfahren gegen sie eingestellt werden. Frau Rosengart verlobte sich einige Zeit später mit einem 9 Jahre jüngeren Manne und begab sich auf die Hochzeitsreise. Sie wissen, in welch tragischer Weise diese Hochzeitsreise in Helgoland

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Hugo Friedländer: Interessante Kriminal-Prozesse von kulturhistorischer Bedeutung, Band 10. Hermann Barsdorf, Berlin 1914, Seite 86. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Friedlaender-Interessante_Kriminal-Prozesse-Band_10_(1914).djvu/90&oldid=- (Version vom 1.8.2018)