Zum Inhalt springen

Seite:Friedlaender-Interessante Kriminal-Prozesse-Band 1 (1910).djvu/114

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Hugo Friedländer: Interessante Kriminal-Prozesse von kulturhistorischer Bedeutung, Band 1

Mal sah ich, wie ein Kranker, der nicht schnell genug gehen konnte, von einem Bruder und einem Wärter die Treppe hinabgezerrt und alsdann über den Fußboden geschleift wurde. Ein weiteres Mal sah ich, wie ein Bruder einen Kranken mit einem Schlüsselbund auf den Hinterkopf schlug. – Vors.: Wieviel Schlüssel enthielt dieser Schlüsselbund? – Zeuge: 5-6 Schlüssel. – Vors.: Wie waren die Schlüssel beschaffen? – Zeuge: Es waren gewichtige Türschlüssel. – Vors.: Wie hieß der Bruder, der in dieser Weise mit dem Schlüsselbund schlug? – Zeuge: Bruder Cajus. – Vors.: Nun erzählen Sie einmal, wie es mit dem Bottich gehandhabt wurde? – Zeuge: Die Epileptiker Joseph Schäfer, Oprée und Louis Meyer erzählten mir: sie seien in folgender Weise bestraft worden: Sie wurden in den Bottichraum gebracht; es ist das ein leerer Raum, in dem eine Badewanne steht. Dort wurden die Kranken vollständig entkleidet, darauf gefesselt und alsdann in die mit eiskaltem Wasser gefüllte Wanne gesteckt, und zwar derartig, daß der Kopf unter Wasser kam. Wenn die Kranken zu ersticken drohten, dann wurde der Kopf aus dem Wasser herausgezogen, damit die Kranken einen Augenblick Luft schnappen konnten. Nach einigen Minuten ging diese Prozedur von neuem los und dauerte so etwa eine halbe Stunde. – Vors.: Wissen Sie, aus welcher Veranlassung dies geschah? – Zeuge. Zur Strafe. – Vors.: Was hatten die Kranken denn verbrochen? – Zeuge: Oprée soll einmal gelogen haben, Schäfer soll einige Wärter ins Gesicht gekratzt haben. – Vors.: Haben die Kranken üble Folgen durch diese Prozedur davongetragen? – Zeuge: Davon weiß ich nichts. – Vors.: Stand denn diese Strafe jemals im Verhältnis zu den begangenen Verbrechen? – Zeuge: Niemals, ich kann nur sagen, daß ich die ganze Prozedur als eine geradezu unerhörte, unmenschliche Strafe angesehen habe. Der Zeuge bekundete im weiteren, daß Kranke oftmals gefesselt in die Kirche geführt wurden. Die Kranken wurden auch

Empfohlene Zitierweise:
Hugo Friedländer: Interessante Kriminal-Prozesse von kulturhistorischer Bedeutung, Band 1. Hermann Barsdorf, Berlin 1910, Seite 110. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Friedlaender-Interessante_Kriminal-Prozesse-Band_1_(1910).djvu/114&oldid=- (Version vom 31.7.2018)