Hugo Friedländer: Interessante Kriminal-Prozesse von kulturhistorischer Bedeutung, Band 1 Der falsche Hauptmann von Köpenick, Wilhelm Voigt | |
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ins Rathaus. Im Erdgeschoß des Rathauses befand sich die Stadtkasse, im ersten Stock die Amtszimmer des Bürgermeisters Dr. Langerhans. Auf Befehl des Hauptmanns mußte ein Gefreiter und einer von der Mannschaft im unteren Flur bleiben. Der Gefreite hatte den Auftrag, dafür zu sorgen, daß die im Rathaus befindlichen Leute in ihren Zimmern bleiben. Jeder Verkehr unter den Rathausbeamten sollte verhindert werden. „Wenn jemand etwas Dringendes zu bestellen habe,“ so verfügte der Hauptmann, „müsse ihn ein Posten begleiten.“ Alsdann begab sich der Hauptmann in Begleitung von vier Soldaten nach dem ersten Stock. Hier erklärte er zunächst den Oberstadtsekretär Rosenkranz „im Namen Seiner Majestät“ für verhaftet. Zweien Soldaten befahl der Hauptmann, an der Tür des Amtszimmers des Oberstadtsekretärs stehen zu bleiben und jeden Verkehr nach außen hin zu verhindern. Alsdann begab sich der Hauptmann mit zwei Soldaten in das daneben liegende Zimmer. Er fragte den darin befindlichen Herrn, wer er sei. „Ich bin der Bürgermeister Dr. Langerhans,“ versetzte der Herr. „Im Namen Seiner Majestät, Sie sind verhaftet,“ rief der Hauptmann. Der Bürgermeister erwiderte: Ihr Auftreten ist vollständig ungesetzlich, Sie müssen mir vom Minister eine Legitimation vorzeigen. Jedenfalls werde ich mich sofort mit dem Landratsamt telephonisch in Verbindung setzen. Der Hauptmann legte dem Bürgermeister die Hand auf die Schulter und rief: Sie haben hier gar nicht zu telephonieren. Wenn Sie noch lange Widerstand leisten, lasse ich Sie in eine Arrestzelle sperren. Meine Legitimation sind meine Soldaten. „Eure Instruktion kennt ihr!“ herrschte der Hauptmann die zwei Soldaten, die ihn in das Amtszimmer des Bürgermeisters begleitet hatten, an. Die Soldaten hatten wohl von dem Hauptmann keine Instruktion empfangen, sie hatten jedoch die Auffassung, jeden Verkehr des Bürgermeisters mit der Außenwelt verhindern zu sollen. Dies taten sie auch getreulich.
Hugo Friedländer: Interessante Kriminal-Prozesse von kulturhistorischer Bedeutung, Band 1. Hermann Barsdorf, Berlin 1910, Seite 137. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Friedlaender-Interessante_Kriminal-Prozesse-Band_1_(1910).djvu/141&oldid=- (Version vom 31.7.2018)