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Hugo Friedländer: Interessante Kriminal-Prozesse von kulturhistorischer Bedeutung, Band 1
Der falsche Hauptmann von Köpenick, Wilhelm Voigt

Der falsche Hauptmann von Köpenick, Wilhelm Voigt.

Etwa eine halbe Stunde von der Reichshauptstadt, auf einer Insel der Spree, erhebt sich – fern vom Geräusch der Weltstadt – die Stadt Köpenick. Wohl hat Köpenick eine selbständige Stadtverwaltung; allein die Fluktuation der Bevölkerung mit der Millionenstadt ist naturgemäß eine solch rege, daß Köpenick im eigentlichen Sinne des Wortes eine Vorstadt von Berlin genannt werden kann. In Köpenick ist viel Industrie. Ganz besonders ist aber Köpenick durch seine großartigen Dampfwäschereien berühmt. Im allgemeinen führten die Bewohner des Städtchens ein beschauliches Dasein. An der Peripherie des Reiches wird es vor dem 16. Oktober 1906 wohl nicht viel Leute gegeben haben, die von der Existenz der Stadt Köpenick Kenntnis hatten. Das änderte sich am 16. Oktober 1906 mit einem Schlage.

Köpenick ist kein Garnisonort. Am Nachmittag des 16. Oktober 1906 trafen plötzlich zehn Gardeinfanteristen mit aufgepflanztem, geladenem Gewehr unter Führung eines Hauptmanns vom ersten Garderegiment zu Fuß in Köpenick ein. Das Kommando, das mit der Eisenbahn von Berlin eingetroffen war, marschierte schnurstracks vom Bahnhof nach dem Rathause. Etwa zehn Schritt vor dem Rathause wurde „Halt“ kommandiert und der Befehl erteilt, die Schuppenketten herunterzulassen. Vor dem Rathause angelangt, kommandierte der Hauptmann: „Posten vor! Portale besetzen!“ Das Hauptportal wurde durch einen Doppelposten, die beiden anderen Eingänge durch je einen Einzelposten besetzt. Die anderen Soldaten folgten dem Hauptmann

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Hugo Friedländer: Interessante Kriminal-Prozesse von kulturhistorischer Bedeutung, Band 1. Hermann Barsdorf, Berlin 1910, Seite 136. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Friedlaender-Interessante_Kriminal-Prozesse-Band_1_(1910).djvu/140&oldid=- (Version vom 31.7.2018)