bilden, an dem die Gegenpartei zerschellen wird. Wenn der hohe Gerichtshof aus Silbenstecherei zu einer Verurteilung käme, dann würde sich die Göttin Themis wie eine Puppe auf ihrem Postament ausnehmen. Sie haben auf Ihrer Eingangstür die Worte stehen: „Die Wahrheit zu finden, ist des Richters Handwerk“. Dieser Aufgabe haben Sie genügt, wenn Sie sich nicht in Einzelheiten verlieren, sondem die Broschüre in ihrer Gesamtheit auf sich wirken lassen. Meine Herren Richter: Sie sitzen hier im Namen des Königs, um Recht zu sprechen. Geben Sie ein königliches Urteil ab, und dies kann nicht anders lauten, als: die Angeklagten sind freigesprochen.
Nach etwa zweistündiger Beratung des Gerichtshofes verkündete der Vorsitzende, Landgerichtsrat Dahmen: Auf Grund der Beweisaufnahme ist bezüglich des ersten Artikels im „Iserlohner Kreisblatt“ der Beweis der Wahrheit als geführt erachtet worden. Bezüglich der drei anderen Artikel im „Iserlohner Kreisblatt“ ist ebenfalls angenommen worden, daß der Beweis der Wahrheit erbracht ist, resp. kommt den Angeklagten Scharre und Mellage der Schutz des § 193 des Strafgesetzbuchs zustatten. Das gleiche gilt hinsichtlich der Broschüre für die Angeklagten Mellage und Warnatzsch. Demgemäß hat der Gerichtshof im Namen des Königs für Recht erkannt: Die Angeklagten sind freizusprechen. Die Kosten des Verfahrens fallen der Staatskasse zur Last mit Ausnahme der den Nebenklägern erwachsenen Kosten. Ferner wird auf Aufhebung der Beschlagnahme der Broschüre erkannt.
Hugo Friedländer: Interessante Kriminal-Prozesse von kulturhistorischer Bedeutung, Band 1. Hermann Barsdorf, Berlin 1910, Seite 135. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Friedlaender-Interessante_Kriminal-Prozesse-Band_1_(1910).djvu/139&oldid=- (Version vom 1.8.2018)