Zum Inhalt springen

Seite:Friedlaender-Interessante Kriminal-Prozesse-Band 1 (1910).djvu/18

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Hugo Friedländer: Interessante Kriminal-Prozesse von kulturhistorischer Bedeutung, Band 1

ein paar Silberlinge verschachert hatte. Sie wandte sich an die Hebamme, die den Verkauf des Kindes vermittelt hatte, und an den Krakauer Rechtsanwalt Dr. Filmowski, dem vom Gericht die Vormundschaft des Kindes übertragen war. Die Hebamme wußte, daß das Kind an eine Grafenfamilie nach Deutschland verkauft worden sei. Die Käuferin hatte der Mutter die Versicherung gegeben: das Kind werde es so gut haben, daß ihm eigentlich nur noch das Himmelreich fehlen werde. Inzwischen traf auch ein Mann aus Deutschland in der armseligen Wohnung des Krakauer Dienstmädchens ein. Dieser erzählte: ein Grafen-Ehepaar in der Provinz Posen, Besitzer eines umfangreichen Majorats, werde beschuldigt, einen Knaben aus Krakau gekauft zu haben, um den Anschein zu erwecken, es sei dem schon bejahrten Grafen-Ehepaar ein männlicher Leibeserbe geboren worden. Das Grafenpaar bedürfe eines solchen, da durch die große Verschwendungssucht der Gräfin die gräfliche Familie eine große Schuldenlast habe, so daß der Gerichtsvollzieher fast täglicher Gast im Grafenschloß sei und von den Familienangehörigen und der Dienerschaft „Onkel“ genannt werde. Das Vorhandensein eines männlichen Leibeserben berechtige die Grafenfamilie, eine Hypothek auf das Majorat aufzunehmen, in den weiten Waldungen Holz in großen Massen fällen zu lassen und dies zu verkaufen. Ohne das Vorhandensein eines männlichen Leibeserben sei zu beiden Sachen die Genehmigung der Agnaten erforderlich, an die auch alsdann nach dem Tode des Grafen das Majorat falle. Die Gräfin müßte, wenn ein männlicher Leibeserbe nicht vorhanden sei, nach dem Ableben ihres Gatten die gräfliche Besitzung verlassen. Der Mann war der Agent Hechalski aus Posen, der im Auftrage des Grafen Hektor Kwilecki nach Krakau gekommen war, um die Verschacherung des Knaben festzustellen. Graf Hektor würde der Erbe des Majorats sein, wenn der jetzige Majoratsherr Graf Zbigniew Wesierskie Kwilecki ohne männlichen Leibeserben

Empfohlene Zitierweise:
Hugo Friedländer: Interessante Kriminal-Prozesse von kulturhistorischer Bedeutung, Band 1. Hermann Barsdorf, Berlin 1910, Seite 14. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Friedlaender-Interessante_Kriminal-Prozesse-Band_1_(1910).djvu/18&oldid=- (Version vom 31.7.2018)