hatten nur noch zwei Unteroffiziere der vierten Schwadron schwarze Schnurrbärte. Diese kamen aber als Täter nicht in Betracht, da sie, als der Rittmeister erschossen wurde, im Dienst in der Reitbahn waren. Es wurde deshalb gegen Marten die Anklage wegen Mordes, gegen Hickel wegen Beihilfe und gegen den Unteroffizier Domnigk wegen Begünstigung erhoben. Ende Mai 1901 hatten sich diese drei vor dem Gericht der zweiten Division des ersten Armeekorps zu verantworten. Da sämtliche Angehörige der vierten Schwadron und viele Leute der anderen Schwadronen als Zeugen vernommen werden mußten und mehrfache Ortsbesichtigungen nötig waren, so wurde, in Ermangelung eines besseren Lokals, der in unmittelbarer Nähe der Kantine belegene Mannschaftsspeisesaal der Dragonerkaserne als Gerichtssaal hergerichtet und in diesem die Verhandlung abgehalten. Es wurden einige Tische, an denen sonst die Dragoner ihre Mahlzeiten verzehrten, zusammengestellt und grüne Decken darüber gebreitet. Nachdem so der Gerichtstisch, sowie die Tische für den Vertreter der Anklage und die Verteidiger hergestellt waren, wurde ein Reiterbild Kaiser Wilhelms I. an die Wand gehängt. Trotzdem machte dieser „Gerichtssaal“, ein kleiner düsterer Raum, eher den Eindruck eines Stalles als eines Saales. Abends wurde das Zimmer durch Petroleumlampen erleuchtet. Ein gleichartiges, dicht neben der Kantine belegenes Vorzimmer diente als Zeugenzimmer. In diesem nahmen die als Zeugen geladenen Dragoner ungeniert ihre Mahlzeiten ein oder spielten Karten. Trotz dieser primitiven Einrichtung und des sehr beschränkten Raumes wurde den Vertretern der Presse, ganz besonders bei der zweiten Oberkriegsgerichtsverhandlung, mit einer Zuvorkommenheit begegnet, wie man sie bei bürgerlichen Gerichtshöfen nicht findet. Es ist bekannt, daß bei bürgerlichen Gerichtshöfen die Vertreter der Presse oftmals eine sehr schlechte Behandlung erfahren. Im allgemeinen finden die Berichterstatter bei Militärgerichten ein viel größeres
Hugo Friedländer: Interessante Kriminal-Prozesse von kulturhistorischer Bedeutung, Band 1. Hermann Barsdorf, Berlin 1910, Seite 183. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Friedlaender-Interessante_Kriminal-Prozesse-Band_1_(1910).djvu/187&oldid=- (Version vom 31.7.2018)