Verhandlungsführer: Inwiefern hat Wachtmeister Marten den Erfordernissen der militärischen Disziplin nicht entsprochen? Zeugin: Er hat z. B., wenn mein Mann mit ihm sprach, nicht stramm gestanden. Mein Mann hat aber auf solche Dinge sehr genau gesehen. Die Zeugin bekundete im weiteren: Ihr Mann hatte eine große Abneigung gegen die Familie Marten. Wenn Ihr Mann später mit Marten Wein getrunken, ihm zum Geburtstag gratuliert und ihn wegen eines Remontepferdes um Rat gefragt habe, so sei das daraus zu erklären, daß Marten nicht mehr bei der 4. Schwadron war. Ihr Mann sei eben nicht nachtragend gewesen. Sie sei aber der Meinung, daß sowohl die anonymen Briefe als auch das Schießen und das Zerschneiden der Wagenpolster in Stallupönen auf die Familie Marten zurückzuführen seien. Sie sei der Überzeugung: Der Täter in Stallupönen sei in der 4. Schwadron gewesen. Wachtmeister Marten habe allerdings äußerlich Nachforschungen angestellt, er hatte aber gar nicht die Absicht, den Täter zu ermitteln. Wenn er gewollt hätte, dann wäre es ihm gelungen, den Täter zu ermitteln. Wachtmeister Marten hatte das Bestreben, ihren Mann aus Stallupönen fortzubekommen. – Verhandlungsführer: Haben Sie irgendeinen Verdacht, wer Ihren Herrn Gemahl erschossen haben mag? Zeugin: Das kann ich nicht sagen, ich bin aber der Meinung, es war jemand von der 4. Schwadron. – Verhandlungsführer: Halten Sie es für ausgeschlossen, daß es eine Zivilperson war? Zeugin: Jawohl, das halte ich für ausgeschlossen. Ich bin der Meinung, es muß doch ein ganz verschlagener Mensch gewesen sein, der mit den Verhältnissen sehr genau Bescheid wußte. Eine Zivilperson hatte keine Veranlassung, meinen Mann zu erschießen. Ich glaube auch nicht, daß sich mein Mann einmal aus Furcht vor Zivilpersonen hat nach Hause begleiten lassen. Die Zeugin bekundete ferner auf Befragen: Mit dem Angeklagten Marten sei ihr Mann dienstlich zufrieden gewesen, er habe ihr aber gesagt: Der Mensch habe einen schlechten Charakter,
Hugo Friedländer: Interessante Kriminal-Prozesse von kulturhistorischer Bedeutung, Band 1. Hermann Barsdorf, Berlin 1910, Seite 190. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Friedlaender-Interessante_Kriminal-Prozesse-Band_1_(1910).djvu/194&oldid=- (Version vom 31.7.2018)