von meinen Beobachtungen nichts gesagt, denn ich hatte gar nicht die Absicht, sie zu entlarven, sondern wollte mich nur selbst über den Zusammenhang der Dinge aufklären. Eine solche Entlarvung ist ja überhaupt sehr schwer und sehr undankbar, insbesondere in Berliner spiritistischen Kreisen, diese glauben alles. Jeder, der ihnen sagt, daß sie einem Schwindel zum Opfer gefallen sind, wird von ihnen selbst als Schwindler gebrandmarkt und zwar nicht in den sanftesten Ausdrücken. Bei einer Sitzung passierte der Rothe das Malheur, daß aus ihren Röcken eine Apfelsine fiel und unter das Sofa rollte. Ein Herr wollte sich danach bücken. Da sprang aber Jentsch hinzu und sagte: „Um Gottes willen, lassen Sie das, das Medium darf nicht gestört werden.“ Einmal apportierte die Rothe die Glieder einer Kette, die angeblich aus den ägyptischen Königsgräbern stammte, es war aber eine Kette, die man in einem Bazar in der Leipzigerstraße für 50 Pfennig kaufen kann. Medien sind eitel. Die Rothe wollte nicht nur ein Blumen-, sondern auch ein Schreibmedium sein. Sie ließ einen Geist auf ein Blatt schreiben: „Lieber Bruder, kämpfe für uns,“ d. h. also, ich sollte für sie Reklame machen. Die Schrift zeigte deutlich, daß sie von der Rothe unter dem Tisch geschrieben war. Ich halte die Rothe nicht für ein echtes Medium. Ich bin der Ansicht, Jentsch hat sie hypnotisiert und sie hat in der Hypnose gesprochen. Jentsch war der eigentliche Macher, er ging in den Sitzungen wie ein Raubvogel umher. – Vert. R.-A. Dr. Thiele: Kann denn jemand in einen solchen hypnotischen Zustand versetzt werden, der nicht das geringste Mediumistische an sich hat? Zeuge: 60 bis 80 0/0 aller Menschen kann man hypnotisieren. Man kann dem Menschen durch die Hypnose Befehle erteilen, die erst nach Stunden ausgeführt werden. – Dr. Spatzier bezeichnete die Rothe nicht als einwandfreies Medium. Er müsse aber sagen, es sei erstaunlich gewesen, daß ein zwei Zentner schwerer Tisch mit vier Auszugsplatten sich dreimal hoch in die Höhe hob und
Hugo Friedländer: Interessante Kriminal-Prozesse von kulturhistorischer Bedeutung, Band 1. Hermann Barsdorf, Berlin 1910, Seite 225. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Friedlaender-Interessante_Kriminal-Prozesse-Band_1_(1910).djvu/229&oldid=- (Version vom 31.7.2018)