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Hugo Friedländer: Interessante Kriminal-Prozesse von kulturhistorischer Bedeutung, Band 1

dieses Prozesses? – Zeuge: Ich habe vor allen Dingen das Interesse, daß die Wahrheit an den Tag komme. Ich betrachtete es gewissermaßen als meine Pflicht, dahin zu wirken, daß mein Vater von dem Vorwurf befreit würde, daß sein bezüglich des Knaben erhobener Verdacht unberechtigt gewesen sei. Als Familienmitglied habe ich schließlich doch auch ein Interesse daran, daß die Familie rein bleibt und nicht ein Kind in die Familie kommt, das der uneheliche Sohn einer sonst vielleicht ganz braven Person ist und den man dann als seinen Vetter und später vielleicht als Haupt der Familie anerkennen muß. Keineswegs leitet mich Habsucht. Ich habe genug und brauche nicht nach der Übernahme des verlotterten Majorats zu streben, das mindestens für eine Generation gar kein Geschäft ist. Ich halte es für die Pflicht eines jeden, der einmal in das Majorat eintreten würde, für diejenigen, die, schuldig oder unschuldig, aus dem Majorat herausmußten, Sorge zu tragen. Ich halte es für meine Pflicht, die Lebensversicherungspolize des Herrn Grafen weiter zu zahlen, für die armen Komtessen, die für die ganze Geschichte doch nichts können, zu sorgen, aber auch für den Jungen zu sorgen, der unglücklich ist, weil er aus seinen Verhältnissen herausgerissen und verzogen worden ist. Ich würde ihn nicht, wie angedeutet worden ist, zu irgendeinem Schuster oder Schneider, sondern ganz wo anders hinbringen, um dafür zu sorgen, daß er nicht künftig zu einem Verbrecher würde. Von einem Plus aus der Bewirtschaftung des Majorats wird auf Jahre hinaus nicht die Rede sein können. Unsere Familie ist seit 500 Jahren in Ehren gewesen. Ich kenne keine Familie in Europa, die es sich gefallen lassen würde, daß ein hergelaufenes uneheliches Kind plötzlich der Besitzer eines Majorats werde. Ich bin an die ganze Geschichte nur höchst ungern herangetreten, mir liegt an der Verurteilung nichts, denn es ist nicht angenehm, Angehörige seines Namens und seiner Familie hinter Schloß und Riegel zu wissen. Dieses Strafverfahren ist ja nur das Vorspiel,

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Hugo Friedländer: Interessante Kriminal-Prozesse von kulturhistorischer Bedeutung, Band 1. Hermann Barsdorf, Berlin 1910, Seite 21. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Friedlaender-Interessante_Kriminal-Prozesse-Band_1_(1910).djvu/25&oldid=- (Version vom 1.8.2018)