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Seite:Friedlaender-Interessante Kriminal-Prozesse-Band 1 (1910).djvu/73

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Hugo Friedländer: Interessante Kriminal-Prozesse von kulturhistorischer Bedeutung, Band 1

und den Leichnam von seiner Tochter in die Scheune tragen lassen. Mehreren Leuten fiel auch das Benehmen Buschhoffs auf. Als die Nachricht von der Auffindung der Leiche in Xanten bekannt wurde, befand sich Buschhoff in einem Restaurant. Er soll, als er von der Auffindung der Leiche hörte, sehr erschrocken sein. Auch soll es aufgefallen sein, daß er an jenem Tage nicht so lebhaft wie sonst „diskutiert“ habe. Eine Frau wollte gesehen haben, daß, als Buschhoff nach Bekanntwerden des Mordes nach Hause ging, sein dreizehnjähriger Sohn Siegmund ihm etwas ins Ohr sagte. Buschhoff soll darauf versetzt haben: „es wird ja nicht auskommen“. Diese Frau blieb auch in der Hauptverhandlung vor dem Schwurgericht zu Cleve bei ihrer Behauptung, obwohl ihr vorgehalten wurde, daß Buschhoff sehr schwerhörig sei, so daß man ihm unmöglich etwas ins Ohr flüstern konnte. Buschhoff weigerte sich auch, in die Scheune zu gehen, in der der ermordete Knabe lag. Er gehörte nämlich dem jüdischen Priesterstamme an. Den Angehörigen dieses Stammes ist es nach den Vorschriften des Alten Testaments verboten, in einen Raum zu gehen, in dem Tote liegen. Nur wenn es sich um Blutsverwandte handelt, darf der Raum betreten werden. Die Weigerung des Buschhoff, in die Scheune zu gehen und sich den ermordeten Knaben anzusehen, wurde selbstverständlich als Schuldbewußtsein aufgefaßt. Die Behauptung, die Juden haben den Knaben zu rituellen Zwecken geschlachtet, verbreitete sich immer mehr im Städtchen, und ehe man es sich versah, war in den Straßen Xantens ein Judenkrawall ausgebrochen. Die Wohnungen und Läden der Juden wurden mit Steinen bombardiert, die Juden auf offener Straße unter Hepp-Hepp-Geschrei mißhandelt. Am schlimmsten erging es der Familie Buschhoff. Diese mußte vor der Wut des Pöbels flüchten. Der Bürgermeister mußte polizeiliche und schließlich militärische Hilfe herbeirufen. Der Vorstand der Xantener jüdischen Gemeinde ersuchte telegraphisch den Minister des Innern, auf ihre Kosten einen

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Hugo Friedländer: Interessante Kriminal-Prozesse von kulturhistorischer Bedeutung, Band 1. Hermann Barsdorf, Berlin 1910, Seite 69. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Friedlaender-Interessante_Kriminal-Prozesse-Band_1_(1910).djvu/73&oldid=- (Version vom 31.7.2018)