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Hugo Friedländer: Interessante Kriminal-Prozesse von kulturhistorischer Bedeutung, Band 1

Buschhoffs und schließlich auch die Eröffnung des Hauptverfahrens beschlossen wurde. Letzteres geschah nicht, weil man an seine Schuld glaubte, sondern weil man der Welt den Beweis liefern wollte, daß an all den Verdächtigungen kein wahres Wort ist. Und die Verhandlung, deren Leitung an Unparteilichkeit jedenfalls nichts zu wünschen übrig ließ, hat die Unschuld des Buschhoff in glänzendster Weise nachgewiesen. Der Herr Erste Staatsanwalt hat recht, wenn er sagte, mit größerer Genauigkeit hat noch niemals ein Angeklagter sein Alibi nachgewiesen. Und wie benahm sich der Angeklagte? Er, der so sehr Verfolgte und Geschmähte, der unter der furchtbaren Anklage, einen Mord begangen zu haben, sich seit so langer Zeit in Untersuchungshaft befindet, er hat nicht ein hartes Wort gegen die ihn belastenden Zeugen, die aus jedem Vorkommnis Kapital zu schlagen suchten, erwidert. Bald fiel den Zeugen die große Teilnahme, bald die Teilnahmlosigkeit auf. Jedenfalls hat die Verhandlung ergeben, daß kein Zeuge den Hegmannschen Eheleuten so viel Teilnahme bekundet hat, als gerade der Angeklagte. Dieser hat sich aber auch als ein in jeder Beziehung wahrheitsliebender Mann erwiesen. Nicht eine Unwahrheit konnte ihm nachgewiesen werden. Als ihm gesagt wurde, er solle bei unerheblichen Dingen doch lieber zugestehen und sich nicht aufs Leugnen legen, da antwortete er: ‚Ich kann doch nichts zugeben, was nicht wahr ist.‘ Der Verteidiger ging hierauf des näheren auf die Zeugenaussagen ein und fuhr alsdann fort: Ich kann die Hoffnung des Herrn Ersten Staatsanwalts auch nicht teilen, daß die antisemitische Hetze mit diesem Prozeß ein Ende haben wird. Ich fürchte: es wird weitergelogen werden. Es ist eine allbekannte Tatsache, daß, um eine Wahrheit zu verwischen, mindestens 7 Lügen notwendig sind. Ich bin aber der Meinung, es sind 7 mal 70 Lügen notwendig, um das Lügengebäude der Antisemiten aufrechtzuerhalten. Allein die große Sorgfalt und Aufmerksamkeit, mit der Sie, meine Herren Geschworenen,

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Hugo Friedländer: Interessante Kriminal-Prozesse von kulturhistorischer Bedeutung, Band 1. Hermann Barsdorf, Berlin 1910, Seite 83. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Friedlaender-Interessante_Kriminal-Prozesse-Band_1_(1910).djvu/87&oldid=- (Version vom 1.8.2018)