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Hugo Friedländer: Interessante Kriminal-Prozesse von kulturhistorischer Bedeutung, Band 2

Ein blutiges Drama.

Eine Bluttat, die den Psychologen vor ein unlösbares Rätsel stellt, ereignete sich im Oktober 1905 in der Herzoglichen Residenzstadt Braunschweig. Ein kaum den Knabenschuhen entwachsener Mensch, Sohn sehr anständiger Eltern, hatte zwei bildschöne junge Mädchen, denen er Musikunterricht erteilte, wie er versicherte, auf deren ausdrückliches Verlangen, in einer Weise erschossen, daß, als der junge Mann die Tat im Gerichtssaale schilderte, selbst ergraute Kriminalisten ein Schaudern überkam. Die Tat des achtzehnjährigen Banklehrlings Paul Brunke erregte in ganz Deutschland und auch im Auslande ein furchtbares Aufsehen. Als Brunke am 21. März 1906 sich vor der ersten Strafkammer des Braunschweiger Landgerichts zu verantworten hatte, wurde der Zuhörerraum von Damen und Herren der besten Gesellschaft geradezu gestürmt. Brunke war verhältnismäßig klein, bartlos, hellblond. Er hatte ein selten schönes Gesicht und machte den Eindruck eines gebildeten jungen Mannes. Er verstand, sich sehr gewählt auszudrücken, sein ganzes Auftreten war durchaus vornehm zu nennen. Den Vorsitz führte Landgerichtsdirektor Roßmann. Die Anklage vertrat Staatsanwalt Reinking. Die Verteidigung führte Rechtsanwalt Dr. Robert-Braunschweig. Der Vorsitzende bemerkte nach Eröffnung der Verhandlung: Ehe wir in die Verhandlung eintreten, wird zu erwägen sein, ob im Interesse der öffentlichen Sittlichkeit die Öffentlichkeit auszuschließen ist. Es werden in der Verhandlung die häßlichsten Laster zur Erörterung gelangen, deren ein Mensch nur irgend fähig ist. Es wäre doch wohl geboten, die Öffentlichkeit auszuschließen.

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Hugo Friedländer: Interessante Kriminal-Prozesse von kulturhistorischer Bedeutung, Band 2. Hermann Barsdorf, Berlin 1911, Seite 107. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Friedlaender-Interessante_Kriminal-Prozesse-Band_2_(1911).djvu/115&oldid=- (Version vom 1.8.2018)