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Hugo Friedländer: Interessante Kriminal-Prozesse von kulturhistorischer Bedeutung, Band 2

ihre Mutter aufgegeben habe. Daß ihre Schwester Lina das Telegramm aufgegeben, halte sie für ausgeschlossen. Wenn ihre Mutter mit dem nächsten Zuge nach Paris gekommen wäre, wie es in der Depesche verlangt wurde, dann hätte sie gegen 10 Uhr abends auf dem Ostbahnhof in Paris eintreffen müssen. Nach dem Tode der Mama habe sie mit der Schwester natürlicherweise über den Fall gesprochen. Die Schwester habe oftmals gesagt: Ihre Lage sei geradezu entsetzlich. Es sei ihr (Zeugin) in der letzten Zeit einmal vorgekommen, als sei ihre Schwester eifersüchtig auf sie. Dies sei selbstverständlich ohne jeden Grund gewesen. Eine Eifersuchtsszene zwischen den Eheleuten habe sie niemals wahrgenommen. Auf weiteres Befragen bekundete die Zeugin: Sie seien sieben Geschwister gewesen, ihre Mutter hatte ein großes Vermögen. Die Mutter sei seinerzeit auf ärztliches Anraten nach Ajaccio gegangen. Es sei richtig, daß ihre Schwester mit dem Angeklagten geflohen sei. Ihre Schwester Luise habe erzählt, der Angeklagte habe in Realp auf ihre Schwester geschossen. Ihre Mutter habe auf dringendes Bitten ihrer Schwester eine sehr große Summe Geldes gegeben. Sie habe ihrer Schwester den Tod ihrer Mutter mit den Worten telegraphisch angezeigt: „Mama dann und dann beerdigt.“ Daraufhin habe sie ein gänzlich verstümmeltes Telegramm aus London erhalten. Ihre Schwester habe ihr erzählt: Die ersten Worte ihres Mannes nach dem Tode ihrer Mutter waren: „Denke dir, es wird behauptet, ich habe deine Mutter ermordet.“ Sie erinnere sich, daß, als sie bei der Villa Engelhorn vorüberkamen, die Uhr 5 Minuten über 6 zeigte; sie habe aber gehört, daß diese Uhr sehr vorgegangen sei. Unterwegs seien sie zwei elegant gekleideten Herren, einem älteren und einem jüngeren, ferner der Frau von Reitzenstein und einem Automobil begegnet. Ob sie einen Mann von der Größe des Hau gesehen habe, könne sie nicht mit Bestimmtheit behaupten. – Vors.: Sie haben nicht die Beobachtung gemacht, daß ein Mann von der Statur des Hau sich in der Nähe Ihrer Villa umhergetrieben hat?

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Hugo Friedländer: Interessante Kriminal-Prozesse von kulturhistorischer Bedeutung, Band 2. Hermann Barsdorf, Berlin 1911, Seite 16. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Friedlaender-Interessante_Kriminal-Prozesse-Band_2_(1911).djvu/24&oldid=- (Version vom 26.12.2019)