Hugo Friedländer: Interessante Kriminal-Prozesse von kulturhistorischer Bedeutung, Band 2 | |
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als Geheimer Kriegsrat ins Kriegsministerium berufen war, wurde die Anklage vom Staatsanwalt Braut vertreten. Neben Sternberg mußten diesmal Bergwerksdirektor Paul Luppa, die 18 Jahre alte Auta Wender und die unverehelichte Kassiererin Anna Scheding auf der Anklagebank Platz nehmen. Luppa und Scheding waren beschuldigt, Schritte unternommen zu haben, um Sternberg der Bestrafung zu entziehen, die Wender, Sternberg Beihilfe geleistet zu haben. Die Verteidigung führten in diesem Prozeß Justizrat Dr. Sello, Rechtsanwalt Dr. Werthauer, Rechtsanwalt Dr. Hugo Heinemann, Rechtsanwalt Dr. Fuchs I, Rechtsanwalt Dr. Mendel und Justizrat Wronker. Auf Antrag des Staatsanwalts wurde wegen Gefährdung der öffentlichen Sittlichkeit die Öffentlichkeit während der ganzen Dauer der Verhandlung ausgeschlossen, den Vertretern der Presse aber der Zutritt gestattet. Auch vielen anderen Leuten, Juristen, Ärzten, Schriftstellern und sonstigen distinguierten Persönlichkeiten wurde vom Vorsitzenden der Zutritt gestattet. Infolgedessen war sowohl der Innenraum, als auch der Zuhörerraum und die Tribünen des großen, im alten Moabiter Gerichtsgebäude belegenen Schwurgerichtssaales trotz des Ausschlusses der Öffentlichkeit stets dicht gefüllt. Als Sachverständige wohnten Gerichtsarzt Medizinalrat Dr. Störmer, Gerichtsarzt Professor Dr. Puppe (jetzt Gerichtsarzt in Königsberg i. Pr.), Geh. Medizinalrat Prof. Dr. Eulenburg und Nervenarzt Sanitätsrat Dr. Albert Moll der Verhandlung bei. Die Verhandlung, die am 30. Oktober 1900 begann und nach 38 Verhandlungstagen am 21. Dezember endete, bot, wie bereits erwähnt, ein geradezu schauderhaftes Bild der Korruption. Kriminalschutzmann Stierstädter, dem von seiner vorgesetzten Behörde, insbesondere dem Chef der vierten Abteilung der Berliner Kriminalpolizei, Regierungsrat Dieterici und dem früheren Staatsanwalt Dr. Romen das Zeugnis eines sehr pflichteifrigen und äußerst gewissenhaften Beamten gegeben wurde, hatte in dieser Strafsache eine ganz außergewöhnliche Tätigkeit an den Tag gelegt. Er hatte sich tage-
Hugo Friedländer: Interessante Kriminal-Prozesse von kulturhistorischer Bedeutung, Band 2. Hermann Barsdorf, Berlin 1911, Seite 232. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Friedlaender-Interessante_Kriminal-Prozesse-Band_2_(1911).djvu/240&oldid=- (Version vom 31.7.2018)