Hugo Friedländer: Interessante Kriminal-Prozesse von kulturhistorischer Bedeutung, Band 2 | |
|
Zeit oftmals von seinen großen Einnahmen gesprochen und seine Frau mit Geschenken überschüttet. Auf Vorhalt der alten Frau Molitor habe der Angeklagte gesagt: Wir haben schlimme Zeiten durchgemacht, jetzt, da es uns gut geht, muß es mir auch gestattet sein, meine Frau reichlich zu beschenken. Der Angeklagte habe es auch veranlaßt, daß Frl. Olga mit nach Paris gefahren sei. Daß zwischen letzterer und dem Angeklagten nähere Beziehungen bestanden haben, halte er für ausgeschlossen. – Frau Molitor sei eine kerngesunde Frau gewesen, die gut noch 15 bis 20 Jahre leben konnte, zumal in ihrer Familie mehrere Leute sehr alt geworden seien. Der Täter müsse in knieender Stellung geschossen haben, um das Herz zu treffen. Die Kugel sei in den Rücken durch die Rippen mitten durch das Herz gegangen. Der Gerichtshof beschloß, Frln. Olga Molitor zu vereidigen. Letztere bekundete noch auf Befragen: Ihre Schwester Lina habe sich vor einigen Wochen im Pfäffikoner See bei Zürich ertränkt. Ihre Schwester habe ein Testament hinterlassen und sie (Zeugin) in einem längeren Brief gebeten, sich ganz besonders ihres Kindes anzunehmen. Das Kind solle einfach, aber fein erzogen werden. – Auf Befragen des Verteidigers bemerkte die Zeugin: Ihre Schwester Lina habe in Paris zu ihrer Mutter gesagt: „Weißt du, ich kann mir nicht helfen, ich bin auf ,Ogeli‘ eifersüchtig.“ Sie (Zeugin) sei in der Familie „Ogeli" genannt worden.
Es erschien hierauf als Zeuge Redakteur Bratter: Er sei ständiger Korrespondent der „Newyork Sun" in Konstantinopel. Er wohne augenblicklich vorübergehend in Berlin. Er habe den Angeklagten in Konstantinopel kennen gelernt. Der Angeklagte, der sich einfach „Herr Hau“, nicht Doktor nannte, habe in Konstantinopel mit den höchsten türkischen Würdenträgern und Vertretern großer europäischer Zeitungen verkehrt. Er habe angeblich für eine amerikanische Reederei und für eine Gesellschaft Geschäfte zu machen gesucht, die sich mit Schießverbesserungen beschäftige. Er sei in Konstantinopel als „Grand seigneur“ aufgetreten, habe viel Geld
Hugo Friedländer: Interessante Kriminal-Prozesse von kulturhistorischer Bedeutung, Band 2. Hermann Barsdorf, Berlin 1911, Seite 19. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Friedlaender-Interessante_Kriminal-Prozesse-Band_2_(1911).djvu/27&oldid=- (Version vom 31.7.2018)