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Hugo Friedländer: Interessante Kriminal-Prozesse von kulturhistorischer Bedeutung, Band 2

wie’s gewesen ist. Der anwesende Polizei-Kommissar hat gesagt, es seien alles Lügen. Ich habe mich beschwert, aber es hat geheißen: Halten Sie’s Maul, antworten Sie, wenn man Sie fragt! Es ist nicht alles aufgeschrieben worden, was ich gesagt habe. Der Protokollführer hat nicht geschrieben, sondern mich nur angeschaut, so daß ich ihm sagte: Ich bin nicht so dumm, wie du mich anschaust! Wenn ich wirklich der Mörder wär’, hätt’ ich das schon längst gesagt. Seit fünf Monaten schon sitze ich in Eisen, wenn ich esse, muß ich mit dem Mund in die Schüssel, ist denn das nicht eine Schande! Ich bitte, daß das erste mit mir aufgenommene Protokoll verlesen wird. Daraus geht hervor, daß nicht alles aufgeschrieben wurde. Jedes Wort, was ich gesagt hab’, hätt’ aufgeschrieben werden müssen. Es handelt sich hier nicht um ein Glas Bier, sondern um die Todesstrafe! Der Herr Staatsanwalt hat mir gesagt, daß ein Brief eingelaufen sei in Brasilien, wo sich einer als Mörder bezeichnet, der Mann muß doch hergeschafft werden bei so einer schweren Sach’! Ich hab’ meinem Doktor Rechtsanwalt meine ganzen Protokolle übergeben und ich bitte, daß die verlesen werden. Da werden Sie sehen, daß alles stimmt, was ich gesagt habe von vornherein und daß ich nicht gelogen habe.“ Das Protokoll ist 60 Seiten lang. Unter heftigen Handbewegungen und mit vor Erregung gesteigerter Stimme beteuerte Gönczi wiederholt, daß er die Mordtat nicht begangen habe. – Staatsanwalt: Vom General-Konsul in Rio de Janeiro ist am 20. Februar cr. ein Schreiben eingegangen. Danach hatte ein Mann namens Louis Schulz an das Konsulat einen Brief gerichtet, in welchem es etwa hieß: „Ich habe einen schweren Mord auf dem Gewissen, den ich mit dem Gönczischen Ehepaar in Berlin verübt habe. Herr Gönczi hat sein Wort mir gegenüber nicht gehalten. Der Berliner Magistrat hatte auf meine Person keinen Steckbrief erlassen, aber meine Reue läßt es nicht zu, daß ich schweige. Sie werden die Reue eines schwer beladenen Herzens nicht aufgeben und mein Gewissen aufhelfen.“ – Der Staatsanwalt

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Hugo Friedländer: Interessante Kriminal-Prozesse von kulturhistorischer Bedeutung, Band 2. Hermann Barsdorf, Berlin 1911, Seite 70. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Friedlaender-Interessante_Kriminal-Prozesse-Band_2_(1911).djvu/78&oldid=- (Version vom 1.8.2018)