Hugo Friedländer: Interessante Kriminal-Prozesse von kulturhistorischer Bedeutung, Band 4 | |
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Ende September 1891 gelangte vor dem Schwurgericht des Landgerichts Berlin I ein Prozeß wegen Ermordung eines Nachtwächters zur Verhandlung, der ein geradezu grauenhaftes, Bild von dem Treiben der Zuhälter und Dirnen in Berlin entwarf. Wenn sich die Schatten der Nacht über die Riesenstadt senken und das Geräusch der Weltstadt, das von gewisser Ferne dem Rauschen der Meereswellen gleicht, verstummt ist, dann tobt das Leben und Treiben in den Hauptstraßen unvermindert weiter. Es tauchen alsdann Gestalten auf, die bei Tag zumeist der Ruhe pflegen, weil ihre Beschäftigung in die Nachtstunden fällt und weil sie auch vielfach Ursache haben, das Tageslicht zu scheuen. Wer in der Nacht die Hauptstraßen Berlins, insbesondere die Leipziger- und Friedrichstraße passiert, wird ein Treiben beobachten können, das den Menschenfreund geradezu mit Ekel und Abscheu erfüllt. Scharenweise begegnet man Prostituierten, denen fast immer in einiger Entfernung junge Leute folgen. Es sind das vielfach blutjunge Menschen, oftmals Söhne achtbarer Eltern, die der Arbeit grundsätzlich aus dem Wege gehen und sich von Prostituierten ernähren lassen. Diese Menschen, in denen zumeist jedes Ehrgefühl erstorben ist, die auf der letzten internationalen kriminalistischen Vereinigung von dem Dezernenten für das Gefängniswesen im Preußischen Ministerium des Innern, dem Wirklichen Geheimen Oberregierungsrat Dr. Krohne als der „Abschaum der Menschheit“ bezeichnet wurden, bilden eine große Gefahr für die öffentliche Sicherheit und
Hugo Friedländer: Interessante Kriminal-Prozesse von kulturhistorischer Bedeutung, Band 4. Hermann Barsdorf, Berlin 1911, Seite 1. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Friedlaender-Interessante_Kriminal-Prozesse-Band_4_(1911).djvu/5&oldid=- (Version vom 31.7.2018)