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Hugo Friedländer: Interessante Kriminal-Prozesse von kulturhistorischer Bedeutung, Band 4

Zustande nach Hause. Er sah die kleine Lucie auf dem Hofe mit seinem Hunde spielen. Da erwachte in ihm das Gelüste, sich an dem Kinde zu vergehen. Er hatte die beste Gelegenheit hierzu, die Liebetruthsche Wohnung stand ihm ungestört zur Verfügung. Und als das Kind vom Kloset kam, da lockte er es in die Wohnung, um es zu mißbrauchen. Das Kind hat sich aber zweifellos gesträubt, es schrie. Es entstand für Berger die Frage: was wird jetzt geschehen, wird das Kind schweigen? Dies konnte er nicht annehmen. Er mußte deshalb, um nicht entdeckt zu werden, sein Opfer beseitigen. Er brauchte nicht lange zu überlegen, wie er das Kind beseitigen solle. Ein Händedruck genügt, um das Kind zu erwürgen. Er ging alsdann an die Zerstückelung der Leiche, um sie unbeobachtet fortschaffen zu können. Es standen ihm alle möglichen Hilfsmittel, wie Decken usw., zu Gebote, so daß er sich nicht mit Blut zu besudeln brauchte. Daß ein Mensch wie der Angeklagte mit Überlegung gehandelt hat, werden Sie nicht bezweifeln. Ich habe die Überzeugung, Sie werden die schreckliche Tat mit Ihrem Wahrspruch sühnen, indem Sie den Angeklagten des Sittlichkeitsverbrechens und des Mordes schuldig sprechen. – Vert., Rechtsanw. Walter Bahn: M. H. Geschworenen: Ich stimme dem Herrn Staatsanwalt bei, es ist eine grausige Tat, die uns hier neun volle Tage beschäftigt hat, eine Tat, die die große Öffentlichkeit ungemein erregt hat. Allein der Richter darf sich von der öffentlichen Meinung nicht im geringsten beeinflussen lassen. Gewiß, das Publikum schreit nach Rache. Der Herr Staatsanwalt sagte: Die Bewohner des Hauses Ackerstraße 130 verlangten geradezu den Kopf des Angeklagten Berger. Der Richter hat aber nicht darauf zu achten, was das Publikum in der Ackerstraße fordert, er hat überhaupt nicht zu fragen, was das Publikum für eine Ansicht hat. Das Publikum hat schon vielfach den Kopf eines Menschen gefordert und nachher hat sich seine Unschuld ergeben. Ihre Pflicht ist es, m. H. Geschworenen, sich weder durch derartige

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Hugo Friedländer: Interessante Kriminal-Prozesse von kulturhistorischer Bedeutung, Band 4. Hermann Barsdorf, Berlin 1911, Seite 68. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Friedlaender-Interessante_Kriminal-Prozesse-Band_4_(1911).djvu/72&oldid=- (Version vom 1.8.2018)