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Seite:Friedlaender-Interessante Kriminal-Prozesse-Band 5 (1912).djvu/178

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Hugo Friedländer: Interessante Kriminal-Prozesse von kulturhistorischer Bedeutung, Band 5

habe, stehe er in dringendem Verdacht, den Mord begangen zu haben. Der Student war wie vom Schlage getroffen. Aber was halfen ihm alle Unschuldsbeteuerungen. Die blutigen Taschentücher und die der Ermordeten gehörende goldene Damenuhr reichten ja zur Schuldüberführung vollständig aus. Der Student wurde gefesselt und ins Untersuchungsgefängnis abgeführt. Trotz aller Unschuldsbeteuerungen wurde er vor die Geschworenen gestellt und wegen Mordes zum Tode verurteilt. Da aber der Student fortgesetzt seine Unschuld beteuerte und sich des besten Leumunds erfreute, wurde er vom Kaiser von Österreich zu lebenslänglichem schweren Kerker „begnadigt“. Nach Verlauf von zwei Jahren kam an einem schönen Sommerabend ein Kriminalbeamter in der Kleidung eines Handwerksburschen in ein böhmisches Dorf. Der Beamte war auf der Suche nach einem flüchtigen Verbrecher. Er kehrte im „Dorfkrug“ ein. Nachdem er sein Ränzel, das in der Handwerksburschensprache „Berliner“ genannt wird, abgelegt und sich ein Nachtlogis gesichert hatte, begab er sich auf die Dorfstraße. Da erblickte er einen großen Menschenauflauf. Er eilte hinzu und sah, daß zwei Strolche sich prügelten. Als eine Anzahl Bauernburschen die Kämpfenden getrennt hatten, rief einer der Strolche dem anderen zu: „Du verfluchter Hund, jetzt werde ich dich anzeigen. Du hast vor 21/2 Jahren die alte Dame ermordet, der arme Student muß unschuldig im Kerker sitzen.“ „Und du hast dabei Schmiere gestanden“, rief der andere. Der Kriminalbeamte eilte zum Ortsgendarm und veranlaßte die sofortige Verhaftung der kämpfenden Strolche. Diese gestanden sehr bald, die alte Dame in jener Nacht ermordet und beraubt zu haben. Der Student wurde selbstverständlich sofort in Freiheit gesetzt und im Wiederaufnahmeverfahren freigesprochen. – In dem im Kreise Halberstadt belegenen Städtchen Kroppenstedt arbeitete eines Nachts, im Oktober 1869, der fünfzehnjährige Müllerlehrling Ernst Günther in

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Hugo Friedländer: Interessante Kriminal-Prozesse von kulturhistorischer Bedeutung, Band 5. Hermann Barsdorf, Berlin 1912, Seite 174. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Friedlaender-Interessante_Kriminal-Prozesse-Band_5_(1912).djvu/178&oldid=- (Version vom 31.7.2018)