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Hugo Friedländer: Interessante Kriminal-Prozesse von kulturhistorischer Bedeutung, Band 5

der außerhalb der Stadt belegenen Windmühle seines Meisters. Der Meister befand sich mit seiner Gattin bei einer Hochzeitsfeier. Plötzlich wurden die Bewohner Kroppenstedts durch Feuersignale aus dem Schlaf geweckt. Die Mühle stand in Flammen. Als die Feuerwehr heranrückte, sah sie einen dunklen größeren Gegenstand aus der brennenden Mühle zur Erde fallen. Dieser Gegenstand war der erwähnte Müllerlehrling. Er lag mit einem Knebel im Munde und die Hände auf den Rücken gebunden, bewußtlos auf der Erde. Er wurde sogleich in die Wohnung seines Meisters getragen. Es wurde schleunigst ein Arzt herbeigerufen. Aber erst am folgenden Morgen kam der junge Mann so weit zum Bewußtsein, daß er vernommen werden konnte. Er erzählte dem Bürgermeister: Er habe, da es Wind war, des Nachts allein in der Mühle gearbeitet. Da plötzlich habe es an der Mühlentür geklopft und eine harsche Stimme habe gerufen: „Na mag man upp“. Er habe sich geweigert, zu öffnen. Die Tür sei jedoch sogleich mit Gewalt aufgebrochen worden und zwei vermummte Männer, die Gesichter mit Ruß geschwärzt, haben vor ihm gestanden. Sie haben ihm gedroht, ihn sofort niederzustechen, wenn er auch nur einen Laut von sich gebe. Schreien hätte ihm auch nichts genützt, denn die Mühle stand, entfernt von der Stadt, einsam auf freiem Felde. Die Männer haben Getreide zusammengerafft, in Säcke geschüttet, alsdann ihn gefesselt, einen Knebel in den Mund gesteckt und darauf die Mühle in Brand gesetzt. Er habe sich, obwohl gefesselt und geknebelt‚ an die von den Räubern offengelassene Tür geschleift und sich zur Erde fallen lassen, um dem Feuertode zu entgehen. Und in der Tat, die Kleider des jungen Mannes fingen, als ihn die Feuerwehr auffand, schon an zu brennen. Auf die Frage des Bürgermeisters, ob er die vermummten Männer erkannt habe, sagte der junge Mann: Den Kleineren habe er genau erkannt, das war der Mühlknappe Schrader. Dieser trug eine rotweißkarierte Barchentjacke; den Größeren

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Hugo Friedländer: Interessante Kriminal-Prozesse von kulturhistorischer Bedeutung, Band 5. Hermann Barsdorf, Berlin 1912, Seite 175. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Friedlaender-Interessante_Kriminal-Prozesse-Band_5_(1912).djvu/179&oldid=- (Version vom 31.7.2018)