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Hugo Friedländer: Interessante Kriminal-Prozesse von kulturhistorischer Bedeutung, Band 5

dem Namen seiner verstorbenen Ehefrau, dadurch kam er in die Lage, allein über das gesamte Vermögen seiner Frau zu verfügen. Schon am 27. November 1903, also einen Tag nach dem Tode seiner Frau, schrieb der Angeklagte an die Filiale der Deutschen Bank in München, daß er die in Depot gegebenen Stücke zurückziehe, in den nächsten Tagen würde er selbst bei der Bank vorsprechen. Schließlich war auch der Brief an das Bankhaus Friedmann & Co. in Halle a. S. charakteristisch, in dem er den Verkauf der Hypotheken im Betrage von 44000 Mark in die Wege leiten wollte. Er schrieb an das Bankhaus: Die Beibringung einer notariellen Urkunde würde auf Schwierigkeiten stoßen und das unangenehmste Aufsehen machen. Eine ganz besonders gefühlvolle Handlung des Angeklagten war auch die Schenkung des Traurings seiner wenige Tage vorher verstorbenen Frau als Verlobungsring an die Privatiere Martha Kratz. Bei Unterschreibung des Formulars, das ihm die Filiale der Deutschen Bank in München zur Ausfüllung sandte, mußte der Angeklagte das Bewußtsein seiner rechtswidrigen Absicht haben. Die Unterschriften auf diesem Formular haben doch nur ganz allgemein den Zweck, die Originalunterschrift zur Vergleichung mit späteren Unterschriften zu besitzen. Der Angeklagte sagt: er habe sich für berechtigt gehalten, auch nach dem Tode seiner Frau die Vollmacht mit ihrem Namen zu unterzeichnen. Jedermann, insbesondere ein gebildeter Mann, weiß, daß eine gegebene Vollmacht mit dem Tode erlischt. Für die Schuld des Angeklagten spricht weiter, daß er ganz allgemein, gegenüber den Banken wie gegenüber den Verwandten, den Tod seiner Frau zu verheimlichen suchte. Die Beweisaufnahme ließ auch klar erkennen, daß der Angeklagte nach Erlangung des Vermögens seiner Frau sich nach dem Auslande wenden wollte. Der Staatsanwalt schilderte sodann eingehend den Charakter des Angeklagten. – Der Angeklagte, so fuhr der Staatsanwalt fort, hat sich

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Hugo Friedländer: Interessante Kriminal-Prozesse von kulturhistorischer Bedeutung, Band 5. Hermann Barsdorf, Berlin 1912, Seite 23. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Friedlaender-Interessante_Kriminal-Prozesse-Band_5_(1912).djvu/27&oldid=- (Version vom 31.7.2018)