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Seite:Friedlaender-Interessante Kriminal-Prozesse-Band 5 (1912).djvu/78

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Hugo Friedländer: Interessante Kriminal-Prozesse von kulturhistorischer Bedeutung, Band 5

Unzufriedenheit. Die Angriffe geschahen nicht, um öffentliche Mißstände zu rügen, sondern lediglich aus Skandalsucht, um Abonnenten zu gewinnen und ein gutes Geschäft zu machen. Der Angeklagte Biermann betrieb also die Ehrabschneiderei gewerbsmäßig, lediglich seines pekuniären Vorteils wegen. Um so unerklärlicher, aber auch um so verwerflicher ist es, daß ein akademisch gebildeter Mann wie Dr. Ries, ein Gymnasial-Oberlehrer, beliebt und hochgeschätzt von seinen Vorgesetzten, Kollegen, Schülern und deren Eltern, ein Mann, der mit außerordentlicher Liebe an seinen Eltern und Geschwistern hing, Mitarbeiter eines solchen Blattes war und aus dem Hinterhalt seine Vorgesetzten in der abscheulichsten Weise beschimpfte und verleumdete. Die öffentliche Meinung konnte es zunächst nicht fassen, daß ein Mann wie Dr. Ries der Verfasser solcher Artikel sein sollte. Wie das aber oftmals mit der öffentlichen Meinung ist, diese empfand schließlich mit Dr. Ries und seiner Familie Mitleid. Es wurde selbst in der hiesigen und zum Teil auch auswärtigen Presse für Dr. Ries Partei genommen. Ich wende mich zu den einzelnen Artikeln. Das Material zu dem Artikel: „Der Wechsel im Ministerium“ kann der Angeklagte Dr. Ries nur durch einen groben Vertrauensbruch erlangt haben. In diesem Artikel ist zum mindesten objektiv eine Beleidigung des Großherzogs enthalten. Der Angeklagte Biermann hat es ja auch nicht verschmäht, in anderen Artikeln den Großherzog anzugreifen und zu beleidigen. Biermann hat auch bereits wegen Majestätsbeleidigung vor dem Schwurgericht auf der Anklagebank gesessen. Ich habe schon hervorgehoben, es ist unerklärlich, daß ein so gebildeter Mann wie Dr. Ries sich herablassen konnte, zu einem Biermann hinabzusteigen und damit seine Ehre zu verletzen. Die Beweisaufnahme hat jedoch ergeben, daß alle Vorwürfe, die durch Dr. Ries dem Herrn Minister gemacht wurden, unwahr sind. Wahr ist nur, daß der Minister vor etwa 14 Jahren im hiesigen

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Hugo Friedländer: Interessante Kriminal-Prozesse von kulturhistorischer Bedeutung, Band 5. Hermann Barsdorf, Berlin 1912, Seite 74. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Friedlaender-Interessante_Kriminal-Prozesse-Band_5_(1912).djvu/78&oldid=- (Version vom 22.5.2024)